Wenn du denkst, du hast mich schon
Megan hörte Maribeth munter drauflosplappern. Sie lächelte. Maribeth war so lebhaft. Was ihr gerade durch den Sinn ging, kam auch über ihre Lippen. Sie schien durchs Leben zu stürmen, bereit, alles mit ausgebreiteten Armen aufzunehmen.
Ihr langes rotes Haar reichte ihr weit den Rücken hinunter. Sie hielt es mit einer Spange aus dem Gesicht zurück. Ihre großen, braunen Augen waren sehr ausdrucksvoll und spiegelten jeden ihrer Gedanken wider.
Maribeth war damals acht gewesen.
Obwohl Mollie nur zwei Jahre älter war als Maribeth, kam es Megan so vor, als wäre sie fast so alt wie sie. Vielleicht lag es daran, dass Mollie die stillere der Schwestern war. Sie hatte sich sehr gut mit der Mutter verstanden und nach dem schrecklichen Unglück schien sie noch in sich gekehrter.
Sie führte den Haushalt und kochte, ohne ihre Schularbeiten zu vernachlässigen.
Mollie war klug. Sie verdiente die Chance, aufs College zu gehen. Megan hatte sich bemüht, genügend Geld beiseite zu legen, aber es wollte nicht reichen. In wenigen Wochen würde Mollie die High School abschließen. Zwar hatte sie die Möglichkeit, eine Stelle als Verkäuferin anzutreten, aber Megan wünschte sich etwas Besseres für sie.
Mit ihrer zarten hellen Haut und dem dunklen, kastanienbraunen Haar war sie eine echte Schönheit. Ihre Augen waren so blau, dass man meinen konnte, sie trüge farbige Kontaktlinsen. Doch es schien ihr nicht bewusst zu sein, wie gut sie aussah, denn sie war sehr überrascht gewesen, als sie im vergangenen Herbst von ihren Schulkameraden zur Ballkönigin gekürt worden war.
„Hallo, Megan!” rief Maribeth und stürmte in den Raum. „Was machst du denn noch hier?
Sonst bist du doch um diese Zeit schon im Bett.” Übermütig ließ sich Maribeth in den großen Sessel fallen.
Megan verzog das Gesicht und lachte. „Wie du das sagst, klingt es, als wäre ich eine alte Großmutter. Gelegentlich bleibe ich schon mal bis nach neun Uhr auf.”
Mollie blieb im Türrahmen stehen. „Möchtet ihr etwas zu trinken? Ich habe ein Sechserpack Limo gekauft.”
Megan schaute lächelnd in die Runde. „Hm. Klingt gut.”
„Du wirst niemals erraten, wen ich heute in der Stadt gesehen habe!” verkündete Maribeth dramatisch.
„Vermutlich nicht”, erwiderte Megan. „Warum sagst du es mir nicht gleich?”
„Travis Kane! Ich konnte es nicht fassen. Bobby, Chris und ich mussten für Bobbys Mom zur Post, und wer kommt da aus der Tür? Niemand anderes als Travis Kane. Du hättest Bobby sehen müssen! Er hat schon immer davon geträumt, einen wilden Bullen zu reiten, so wie Travis, ganz zu schweigen von seiner Geschicklichkeit beim Kälbereinfangen. Er hat regelrecht gestottert, als Travis uns angesprochen hat”.
Mollie kam mit drei großen Gläsern zurück. Eines reichte sie Megan und das andere Maribeth.
„Ich weiß. Travis war heute hier.”
Sichtlich überrascht schaute Mollie sie an. „Travis Kane war hier? Wozu denn das?”
Statt Mollie zu antworten, sah Megan Maribeth an. „Was hast du Travis über uns erzählt, Maribeth?”
Wenigstens besaß ihre jüngste Schwester so viel Schamgefühl, dass sie errötete. „Also, eigentlich nichts. Er hat nur nach dir gefragt, und da habe ich … Na ja, ich habe wohl erwähnt, dass du dir große Sorgen um uns machst, weil wir möglicherweise die Ranch verlieren.”
Mollie sank auf die Couch und starrte Maribeth entsetzt an. „Maribeth! Das darf nicht wahr sein! Du kannst doch nicht herumlaufen und mit jedem über unsere Angelegenheiten sprechen!”
„Das habe ich auch nicht gemacht. Die Leute wissen doch sowieso alle Bescheid. Es ist kein Geheimnis, dass wir die Ranch verlieren. Was ist dann so schlimm daran?”
Mollie schüttelte verständ nislos den Kopf. „So etwas macht man einfach nicht.”
Seufzend lehnte Megan sich gegen die Couch. „Sie macht so etwas schon.”
„Ja, aber er hat nach dir gefragt, und ich wollte nur höflich sein und …”
„Sicher wolltest du nur seine Aufmerksamkeit ein wenig länger auf euch ziehen”, bemerkte Mollie. „Bobby und du, ihr wäret doch Mitglieder in seinem Fanclub, wenn er einen hätte.”
Maribeth schwang die Beine über die Armlehne des Sessels. „He, das ist eine großartige Idee. Wir könnten einen …”
„Das war nur ein Scherz von mir”, unterbrach Mollie sie hastig. „Travis Kane braucht nämlich keinen Fanclub! Sein Ego ist bereits groß genug.”
„Und ob”, bestätigte Megan leise.
Maribeth schob gekränkt
Weitere Kostenlose Bücher