Wenn du denkst, du hast mich schon
drein. „Carrie? Ist sie nicht verheiratet?”
„Inzwischen ja, aber sie hat jahrelang auf dich gewartet.”
Er lachte. „Das bezweifle ich.”
„Hat sie aber. Sie ist aufs College gegangen und kam so oft nach Hause, wie sie konnte, in der Hoffnung, dir zu begegnen. Im ersten Jahr erfuhr sie während der Weihnachtsferien, dass du mit Trish Kronig ausgegangen bist, wenn du in der Stadt warst.”
„Du hast ein gutes Namensgedächtnis. Die habe ich beide längst vergessen.”
Sie trat ans Fenster und schaute nach draußen. Es war bereits dunkel. Die Lampe in der Nähe der Scheune erhellte den Hof nur schwach.
„Sicher haben sie dich nicht vergessen”, behauptete sie leise und erinnerte sich daran, wie leicht es war, jemandem das Herz zu brechen. War sie nicht froh gewesen, dass sie damals nicht hübsch genug gewesen war, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Hatte sie sich nicht glücklich geschätzt, dass sie nicht so etwas durchmachen musste wie diese Mädchen?
Er nahm seinen Hut an sich. „Das war vor Jahren, Megan. Damals war ich noch grün hinter den Ohren.”
Sie wandte sich ihm zu. „Und heute bist du erwachsen, ja?”
Er schenkte ihr sein hinreißendes Lächeln. „Ich hoffe es, da ich vorhabe, zu heiraten und sesshaft zu werden.”
„Aber du gibst deine Rodeoveranstaltungen nicht auf”, stellte sie vielsagend fest.
„Nein, jetzt im Moment nicht. Aber es bleiben mir nur noch ein paar Jahre für diese Arbeit.
Beim Rodeo wird man früh alt.”
„Oder stirbt jung.”
Er setzte den Hut auf. „Nicht ich. So hart und zäh, wie ich bin.” Er öffnete die Tür und trat auf die Veranda. „Ich hole dich gleich nach dem Essen morgen mittag ab, wenn dir das recht ist, ja?”
Sie hielt einen Moment inne. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, abzusagen, falls sie das wollte. Doch sie hatte das ungute Gefühl, dass sie den vollkommen verrückten Gedanken aufgreifen würde. Ihre Möglichkeiten waren begrenzt. Sie hatte sich einen Weg gewünscht, die Ranch zu retten, und den bot Travis ihr. Welch eine Ironie des Schicksals!
Sie schlang ihre Arme um sich. „In Ordnung, Travis, bis dann”, antwortete sie schließlich und gestand sich ein, dass sie nie zuvor so eine erschreckende Entscheidung getroffen hatte.
Sie würden die Ranch nicht verlieren, aber Travis Kane zu heiraten konnte ihr schließlich auf Dauer mehr zusetzen als der Verlust ihres Besitzes.
Abstand von ihm halten hatte sie als junges Mädchen geschützt. Aber wie sollte sie sich jetzt vor ihm schützen, wenn er ihr so nahe stand?
3. KAPITEL
Megan nahm ein langes Bad, nachdem Travis gegangen war, und überdachte in Ruhe seinen Vorschlag. Irgendwann stieg sie aus der Wanne und trocknete sich ab, zog sich das verwaschene Nachthemd und den alten Bademantel an, aber sie war innerlich zu aufgewühlt, um schlafen zu gehen. Deshalb legte sie sich auf die Couch, schaltete den Fernseher ein und wartete auf die Rückkehr ihrer Schwestern.
Sie lag noch auf der Couch und war eingenickt, als sie den Wagen die Einfahrt heraufkommen hörte. Die alte Rostlaube klapperte und dröhnte. Sie klang eher wie ein Dreschflegel als wie ein Transportmittel.
Megan hatte Mollie vergangenen Abend damit in die Stadt fahren lassen, da beide, Mollie und Maribeth, bei Freunden hatten übernachten wollen. Sie hatten sich nie beschwert, dass sie fast vierzig Kilometer von der Stadt entfernt wohnten, freuten sich jedoch immer darauf, Freunde zu besuchen oder sich mit ihnen im örtlichen Hamburgerlokal zu treffen.
Es gab Zeiten, so wie heute, da vermisste Megan ihre Eltern sehr. Nach dem Kalender mochte sie zwar vierundzwanzig Jahre alt sein, aber ihr kam es oft so vor, als wäre sie noch sechzehn und hätte gerade erst Bekanntschaft mit dem anderen Geschlecht gemacht. Schon kurz darauf war ihre Jugend mit der Nachricht vom tödlichen Unfall ihrer Eltern abrupt vorbei gewesen. Praktisch über Nacht hatte sie Mollie und Maribeth Mutter und Vater zugleich ersetzen und die Circle-B-Ranch bewirtschaften müssen. Keine leichte Angelegenheit, denn zunächst hatten die Behörden die beiden in ein Waisenhaus stecken wollen. Doch Megan hatte sich dafür stark gemacht, dass sie sie behalten durfte, und hatte erklärt, mit Butchs Hilfe würde sie schon klarkommen.
Heute abend hatte sie eine weitere Entscheidung zum Wohlergehen ihrer Schwestern getroffen. Ihre eigenen Gefühle spielten nur eine geringe Rolle dabei.
Die Küchentür knarrte, als eine der beiden sie öffnete.
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