Wenn du lügst
Wirklichkeit.«
»Sie ist ihre Mutter«, sagte Betsy mit Nachdruck. »Und Lily vermisst sie.«
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. »Betsy …«, setzte ich dann an. »Ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Ich bin keine Mutter. Ich werde nie eine sein. Du verstehst dieses Mädchen wesentlich besser als ich. Ich
habe das Gefühl, dich als Übersetzerin hier im Haus zu brauchen, wenn ich sie nur frage, was sie zum Frühstück möchte. Meinst du …?«
»Leider nein«, schnaubte Betsy. »Das würde nicht funktionieren.«
»Warum nicht?« beharrte ich. »Ich könnte meinen Kram aus dem Zimmer in deinem Haus schaffen, falls es darum geht. Sie könnte auf dem Festland zur Schule gehen. Ihr habt da eine echte regionale Highschool. Ganz zu schweigen davon, dass du dich zu Tode langweilst …«
»Schätzchen«, sagte sie. »Du bist ihre einzige Verbindung zu ihrer Mutter. Sie wird auf keinen Fall von hier weggehen.«
»Und was für eine tolle Verbindung ich bin«, erwiderte ich. »Ich habe Jena ein Mal in zwanzig Jahren gesehen.«
»Ich weiß nicht, was die beiden besprochen haben, aber ich habe den Eindruck, sie glaubt, dass ihre Mutter sich früher oder später bei dir melden wird - nicht bei ihr, sondern bei dir. Und sie will da sein, wenn es so weit ist.«
Ich war verblüfft. »Bei mir? Was ist mit Lily? Sie wird sich um einiges früher bei Lily melden als bei mir.«
»Vielleicht«, sagte sie. »Aber Lily denkt anders, und wir müssen einfach abwarten.«
»Was abwarten?«
»Wer Jena besser kennt - du oder Lily.«
Am nächsten Morgen erhielt ich einen Anruf von Robert Giles. Leroy hatte keine Zeit verloren, mit Daryl Kontakt aufzunehmen.
»Texas war interessant, wie ich höre«, sagte Robert.
»Falls du das Erbrechen auf den Rücksitz einer Limousine interessant nennen willst.«
»Es hat funktioniert«, meinte er. »Was hältst du von Pat?«
»Ich schätze, dass sie ihr zwischen ihren Fällen einen Maulkorb anlegen müssen.«
»Pat will Richterin werden«, erklärte er.
»Die Todesurteile werden sich verdoppeln. Wie heißt das noch mal: ›Macht keine Gefangenen‹? Wie wär’s mit: ›Erschießt die Verletzten und die Angehörigen gleich mit‹?«
»Jetzt mal langsam. Sie ist eine sehr fähige Anklägerin. Soweit ich weiß, gehören die Leroy-Collins-Fälle zu den wenigen, die sie je verloren hat. Sie hat eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte vorzuweisen.«
»Basierend auf was? Indem sie für Verkehrsdelikte die Todesstrafe fordert?«
»Wir könnten gern weiterplauschen, wenn ich da nicht etwas hätte, das ein bisschen dringlicher ist.« Er machte eine Pause, als wäre er sich nicht sicher, wie er formulieren sollte, was er zu sagen hatte, oder vielleicht weil er es einfach nicht sagen wollte.
»Was?«, fragte ich, plötzlich beunruhigt. »Was ist passiert?«
»Nichts ist passiert. Noch nicht.«
»Robert …«
»Leroy hat Daryl heute Morgen angerufen. Pat hatte mich zuvor wegen der kleinen Nummer, die sie abgezogen hat, gewarnt, und wir waren einer Meinung, dass Leroy Daryl kontaktieren könnte, deshalb ließen wir
Daryls Anrufe überwachen. Wir dachten, dass vielleicht einer der beiden etwas Belastendes sagen würde. Die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt …
Jedenfalls hat Leroy Daryl angerufen, und er war dabei sehr vorsichtig. Er sagte nichts, das vor Gericht verwertbar wäre, auch wenn es nicht schwer war, den Sinn zu verstehen. Ich habe eine Abschrift, die ich dir schicken kann, aber das Wesentliche sage ich dir jetzt schon. Leroy hat Daryl gefragt, ob er sich entschlossen hätte, da oben eine linke Nummer abzuziehen, und vielleicht mit ein paar Leuten im Gefängnis reden würde.
Daryl erwiderte, dass er überhaupt keine linke Nummer abziehen würde. Leroy meinte, das würde er gern glauben, aber er sei in die Mangel genommen worden, und da wäre etwas wegen ihrem Cousin am Kochen. Er wollte wissen, wie die Leute in Washington auch nur die leiseste Ahnung davon haben konnten, wenn er keine linke Nummer abzöge.
Daryl sagte, das Einzige, das er wüsste, wäre das, was er ihm bereits erzählt hätte, nämlich, dass eine Psychologin gekommen sei und ihn nach Sissy gefragt hätte. Er behauptete, das wäre alles. Er hat geschworen, dass er nicht die Quelle sei, auf gar keinen Fall; er höre zum ersten Mal davon. Er meinte, dass möglicherweise jemand aufgetaucht sein könnte.«
»Jemand könnte aufgetaucht sein?«, wiederholte ich.
»Das waren seine Worte.«
»Was meint
Weitere Kostenlose Bücher