Wenn du lügst
finden, die ihre Mom nicht aufregen, sondern sie weiterschreiben lassen würden. Es war schwer, den richtigen Ton zu treffen. Fröhlich, aber nicht zu fröhlich. Sie musste rüberbringen, dass sie sich freute, von ihr zu hören, und vielleicht sollte sie so tun, als wäre ihr Aufenthalt hier nur von begrenzter Dauer, sozusagen als Zaunpfahl für ihre Mom.
Lily überlegte, dass Breeze sich darüber wundern musste, dass sie nicht aus ihrem Zimmer kam. Also steckte sie ihren Kopf zur Tür hinaus, um ihr mitzuteilen,
dass sie müde sei und schlafen gehen würde. Aber sie ging nicht schlafen. Sie setzte sich an den kleinen Schreibtisch und formulierte Antworten. Sie kamen ihr alle dumm vor, und sie strich eine nach der anderen durch.
Sie ging zu Bett, konnte aber nicht einschlafen. Sie dachte weiter über die E-Mail nach, und schließlich stand sie, nachdem Breeze sich zurückgezogen hatte, wieder auf und schlich sich ins Esszimmer, wo der Computer stand. Sie schaltete ihn an und zuckte wegen des Geräuschs, das er beim Hochfahren machte, zusammen. Am Tag war es ihr nicht so laut erschienen. Sie las die E-Mail wieder, dann noch einmal. Sie hatte nicht die richtigen Worte, um auszudrücken, was sie empfand. Es fühlte sich an, als hätte sie nun plötzlich etwas. Noch ein paar Stunden zuvor hatte sie nichts gehabt. Sie war einfach nur ein weggeworfenes Mädchen gewesen, das keiner wollte, ein Mädchen, das im Haus von jemand campierte, der sie eigentlich nicht dahaben wollte. Jetzt hatte sie etwas. Vielleicht war es nicht viel. Vielleicht würde es sich am Ende als gar nichts entpuppen, aber im Moment war es zumindest etwas.
Mac klopfte an die Tür von Mandys Eigentumswohnung. Er drehte sich um, während er wartete, und sah hinunter zu dem Pool in der Mitte des Gartens. Er mochte diesen Wohnkomplex, und das nicht zuletzt wegen des nahe gelegenen Waldes. Beau, seinem Hund, hatte es zweifellos gefallen, wenn sie an den Wochenenden, an
denen sie beide hier übernachtet hatten, dort joggen gegangen waren. Der Pool war ebenfalls nicht schlecht, und Mac dachte zurück an die Sonntagmorgen, an denen er zusammen mit Mandy dort gelegen hatte. Was hatte dieser Dichter noch mal gesagt - Kaffee, Orangen und die grüne Freiheit eines Kakadus? Auf den Kakadu konnte er verzichten, aber der Kaffee und die Orangen klangen genau richtig.
Als hinter ihm geöffnet wurde, drehte er sich um und sah Mandy, die in Shorts und Trägertop in der Tür stand. Sie war klein und kompakt und hatte vermutlich etwas mehr Gewicht auf den Rippen, als einige Männer bevorzugten. Aber was wussten die schon? Sie war im Bett ausgelassen, unbefangen und voller Übermut gewesen, und sie hatte es geliebt, ihn zu reizen, bis er nicht mehr wusste, ob er sie lieber ficken oder erwürgen wollte. Sie schien genau zu wissen, wie weit sie gehen konnte, bevor sie in solch süßer, freudiger Kapitulation unter ihm dahinschmolz, dass ihm jetzt die Hitze ins Gesicht stieg, als er auch nur daran dachte. Wie lange war das her? Zwei Jahre schon?
»Hallo«, sagte er.
Sie sah ihn einen Moment lang ruhig an, dann fragte sie: »Willst du reinkommen?«
»Nein, ich stehe lieber im Flur rum.«
Sie drehte sich um und ging nach drinnen. »Sei nicht so«, sagte sie.
Er sah den offenen Koffer durch die Schlafzimmertür. »Fährst du irgendwo hin?«
»Mmhm, an einen Strand.«
»Allein?« Kaum hatte er das ausgesprochen, wünschte
er sich, es nicht getan zu haben. Mandy blieb stehen und drehte sich um. »Nein. Ich nehme ein ganzes Ensemble männlicher Chippendale-Stripper mit.«
»Tut mir leid.« Sie entgegnete nichts.
Er setzte sich. »Nein, wirklich, ich bin nicht hier, um zu streiten. Ich wollte mit dir über diese Psychologin aus Washington reden, wie war noch mal ihr Name?« Er verstummte, um nach einem Weg zu suchen, ihr zu sagen, was er ihr sagen wollte, ohne sie zu verärgern. Er fand keinen. »Du fängst nicht wieder mit dieser Sache an, oder?«
»Du hättest anrufen können, um mich das zu fragen«, erwiderte sie.
»Ich wollte nicht telefonieren. Hör zu, wenn du mich nicht hier haben willst …«
Seufzend ließ sie sich auf einen Stuhl sinken und schloss die Augen. »Jetzt bin ich an der Reihe, mich zu entschuldigen«, sagte sie. »Es ist schön, dich zu sehen. Du siehst gut aus. Du brauchst jetzt nicht gleich gefühlsduselig zu werden, aber ich vermisse dich.« Er hatte keine Ahnung, was er darauf antworten sollte, aber er wusste, dass er endlos darüber
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