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Wenn Du Luegst

Titel: Wenn Du Luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Salter
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was er mit ihr macht. Und es ist meine Schuld. Du kapierst es einfach nicht, oder? Das alles ist meine Schuld.«
    »Lily«, sagte ich, alarmiert, als ich merkte, welche Richtung ihre Gedanken nahmen. Ich trat zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Es ist nicht deine …« Sie zuckte zusammen und taumelte nach hinten. Ihre Pupillen waren so stark geweitet, dass ich das Weiße um sie herum sehen konnte, und sie schien zu hyperventilieren. Sie anzufassen war das Schlimmste, was ich hatte tun können; ich hatte vergessen, wie viel Gewalt sie ausgesetzt gewesen war. Ich trat schnell einen Schritt zurück.
    »Es ist okay«, sagte ich. »Es ist okay. Niemand wird dir wehtun. Hab keine Angst, Lily. Wir werden eine Lösung finden.« Lilys Gesicht war völlig leer, und ich erkannte den Ausdruck. Ich hatte genügend Flashbacks bei Opfern gesehen, um zu wissen, wann jemand sich loslöste und nicht mehr wusste, wo er war.
    »Du bist auf der Insel, Lily«, sagte ich. »Auf Blackbeard’s Isle. Nicht zu Hause in Chicago. Jerry ist nicht hier«, fügte ich hinzu. »Niemand ist hier, außer dir und mir. Komm, wir setzen uns hin. Lass mich dir etwas zu trinken bringen, eine heiße Schokolade oder was auch immer du willst. Es ist alles gut.«

    Das Erkennen kehrte in Lilys Augen zurück, und gleichzeitig verschwanden die Angst und die Wut. Eine Art Traurigkeit schwamm in ihnen, die ich nicht ausloten konnte. Ganz offensichtlich war dies ein Mensch, der in Regionen des Schmerzes gelebt hatte, die ich nur von der Durchreise her kannte.
    »Ich will keine heiße Schokolade«, sagte sie, bevor sie sich mit stiller Würde umdrehte und langsam zu ihrem Zimmer ging.
    Ich blieb noch einen Moment im Wohnzimmer stehen. Ich wollte es nicht einfach dabei belassen. Es war nicht ihre Schuld. Wie konnte sie das denken? Ich ging zu ihrer Tür und hob die Hand, um zu klopfen, hielt dann jedoch inne. Was konnte ich tun, um ihr zu helfen? Nichts. Sie hatte völlig die Fassung verloren und brauchte jetzt Zeit, um sich zu erholen. Was sie nicht brauchte, war eine Fortsetzung des Streitgesprächs oder den Tröstungsversuch von jemand, dem sie nicht vertraute und den sie, wie es schien, noch nicht einmal mochte. Ich ließ die Hand wieder sinken.
    Ich ging in die Küche und kochte mir eine Tasse Tee, dann lief ich nach oben auf den Balkon und setzte mich in meinen Schaukelstuhl. Überrascht stellte ich fest, dass meine Hände zitterten. Ich war an so etwas nicht gewöhnt. Die Arbeitswelt, in der ich lebte, war voll von am Boden zerstörten Opfern und zornigen, manchmal bösartigen Tätern. Anwälte hatten auf mich eingehämmert. Kriminelle hatten versucht, mich zu manipulieren, und mich gelegentlich bedroht. Es war schon vorgekommen, dass Opfer versucht hatten, mich zu vereinnahmen. Aber mein Zuhause war immer mein Zufluchtsort gewesen,
ein Hafen, wo man das Boot vertäuen und zum leisen Klatschen der Fallleinen einschlafen konnte. Jetzt hatte ich meinen Zufluchtsort an ein Mädchen verloren, das nie zuvor einen gekannt hatte. Lily und ich waren beide auf See.
    Sie ging am nächsten Tag nicht zur Schule, und ich brachte es nicht über mich, sie zu drängen. Ich stattete der Rektorin einen Besuch ab und erklärte ihr, dass wir ein paar Anpassungsprobleme hätten. Sie schien unbeeindruckt. Sie hatte zwanzig Jahre lang in Durham unterrichtet, bevor sie sich nach Blackbeard’s Isle zurückgezogen hatte, und hatte wohl eine ganz gute Vorstellung davon, was für eine große Veränderung das Ganze für Lily war. Lassen Sie ihr Zeit, sagte sie. Die Zeit wird es schon richten.
    Ich kehrte nach Hause zurück und versuchte zu entscheiden, was ich als Nächstes tun sollte. In Wahrheit hatte ich keine große Wahl. Ich musste am nächsten Morgen nach Dallas fliegen, und Betsy würde herkommen, um bei Lily zu bleiben. Vielleicht war das eine gute Sache. Lily schien mich und ihre Mutter völlig miteinander verquirlt zu haben, abgesehen davon reagierte sie auf Betsy sowieso viel besser. Vielleicht war es meine eigene Feigheit, ganz bestimmt aber Verunsicherung, jedenfalls beschloss ich, einfach nach Dallas zu fliegen. Sollte Betsy sich darum kümmern. Es war ganz klar nicht der richtige Moment für Amateurversuche im Muttersein. Zeit, einen Profi hinzuzuziehen.
     
    Das Flugzeug glitt durch die Wolken und setzte schwerfällig auf der Landebahn auf, so als ob das Fliegen mühevoll
und der Boden sein wahres Zuhause wäre. Wahrscheinlich waren Flugzeuge wie

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