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Wenn Du Luegst

Titel: Wenn Du Luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Salter
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ich dann davon wissen? Das Einzige, was ich tue, ist, die Akten zu lesen.«
    »Ich habe keinen Schimmer, was Sie zu wissen glauben. Sie können mir in Bezug auf ein Kind nichts beweisen«, beharrte er. Mir rutschte das Herz in die Hose. Er hatte nicht mit einem einzigen Wort geleugnet, dass es da ein Kind gab oder er ihm Schaden zugefügt hatte. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, was ich wusste und woher ich es wusste. Unschuldige Menschen verhalten sich nicht so. Sie streiten unverzüglich ab; sie weichen der Frage nicht aus.
    Ich setzte wieder zum Sprechen an, als Collins plötzlich aufstand. »Ich muss gehen«, sagte er, »gleich ist Zählung.« Er wandte sich zu dem Wachmann, der jetzt auf einem Stuhl hinter ihm saß. »Ich bin hier fertig.« Der Beamte ließ die Zeitschrift sinken, in der er gelesen hatte, und stand auf. Ohne ein weiteres Wort ging Collins zur Tür. Er begann den Flur hinunterzuschlurfen, wobei jeder seiner Schritte von den Ketten an seinen Fußgelenken ausgebremst wurde. Als er sich ein einziges Mal nach mir umdrehte, konnte ich den Ausdruck in seinem Gesicht nicht einmal ansatzweise deuten. Der
Wachmann schien ganz entspannt neben ihm herzugehen, aber ich bemerkte, dass er eine Hand immer auf Collins’ Arm behielt. Selbst während er gelesen hatte, war ich das Gefühl nicht losgeworden, dass seine Aufmerksamkeit hauptsächlich Collins galt. Ich beobachtete, wie sie sich entfernten, dann drehte ich mich um und ging zurück in das Zimmer.
    In Gedanken noch immer bei Collins packte ich meine Sachen zusammen. Manche Menschen würden vielleicht auf ihn hereinfallen, dachte ich, aber auch ohne seine Drohgebärde von vorhin hatte er nicht das Zeug zu einem echten Blender. Die Leute würden ihn einfach nicht mögen - selbst wenn sie ihm glaubten -, und gemocht zu werden war das wichtigste Rüstzeug jedes Häftlings. Trotzdem klebte die Erinnerung an sein plötzliches Vorschnellen und an den Ausdruck seiner Augen wie saurer Schweiß an meiner Haut. Vielleicht war er ein dilettantischer Heuchler, aber er gehörte definitiv zur Ersten Liga, wenn es darum ging, in einem Hochsicherheitsgefängnis den Arm auszustrecken und, vor Gott und sonst wem, die Angst über den Tisch zu schieben wie eine Trumpfkarte. Und das Ganze nur wegen des teuflischen Vergnügens, das es ihm bereitete.
    Ich sah mich ein letztes Mal um. Das kleine Mädchen war nicht da. Aber das hatte ich auch nicht erwartet.

kapitel 2
    »Der Direktor will mit Ihnen sprechen«, informierte mich der Wachmann am Schreibtisch, als ich aus dem Raum kam.
    »Was?«, fragte ich. »Weshalb?« Während der fünf Jahre, die ich nun schon in Gefängnissen ein- und ausging, um sexuell motivierte Gewaltverbrecher zu beurteilen, hatte noch nie ein Gefängnisleiter darum gebeten, mit mir zu sprechen. Staatsanwälte wollten mit mir sprechen. Verteidiger. Angehörige. Opfer. Hin und wieder sogar Presseleute. Aber noch nie ein Gefängnisdirektor. Für sie spielte es in der Regel keine Rolle, ob einer aus ihrer großen Zahl von Häftlingen als Sexualstraftäter mit Rückfallrisiko eingestuft wurde. Falls das Gutachten zu seinen Gunsten ausfiel, würde er freikommen. Falls nicht, würde man ihn in eine andere Einrichtung verlegen. So oder so wäre er weg.
    Der Wachmann sah mich wortlos an. »Entschuldigung«, sagte ich. »Ich bin nur überrascht. Wissen Sie, warum?«
    »Klar«, meinte er grinsend. »Er weiht mich immer ein.«
    Ich schüttelte den Kopf über meine eigene Dummheit, ließ mir den Weg beschreiben und steuerte das Direktorenbüro an.

    »Dr. Copen«, begrüßte mich der Direktor und stand vom Schreibtisch auf, um mir die Hand zu schütteln. »Joseph Stevens. Bitte nehmen Sie Platz.« Er war kräftig gebaut, trug einen Bürstenschnitt und trieb offensichtlich noch immer regelmäßig Sport. Er hatte einen dieser Nacken, die so breit sind wie der Kopf darüber - den Nacken eines Gewichthebers -, doch die Jahre hatten ihre Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, und er schien allmählich auf die Rente zusteuern. Seine Begrüßung und sein Auftreten waren steif und förmlich - er verströmte etwas Militärisches -, und die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass ein solcher Empfang nie etwas Gutes bedeutete. Nichtsdestoweniger hatte er eine stählerne, dunkelblaue Stimme mit sanfteren Untertönen, und ich mochte die Stimme genau wie ihn auf Anhieb.
    Ich lächelte zur Begrüßung, dann setzte ich mich wortlos hin und wartete ab. Ich hatte mich genau an das

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