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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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Zweig in der Hand. Ich steckte ihn vorsichtig ein.
    Wie ist Ihr Name?
Annegret.
Ich bin bei Ihnen, Annegret.
Ich habe solche Angst. So schreckliche Angst. Und diese Schmerzen. Und das viele Blut. – Ich fürchte mich.
Das müssen Sie nicht. Alles wird gut werden. Ich werde Ihnen helfen. Ich lasse Sie nicht alleine. Geben Sie mir Ihre Hand.
Sie hat mir ein Engel geschickt. Ganz sicher. Sie sind die Antwort auf meine Gebete. Ich habe den ganzen Tag gebetet. Und dann kamen Sie. Gott sei Dank …

10. HANNAH
    Eigentlich hätte ich gar nicht als Amerikanerin zur Welt kommen sollen. Eigentlich hätte meine Mutter in Israel bei ihrer Mutter Sarah und ihrem Vater Yitzchak bleiben sollen. Dort in Ramat Aviv war sie auf die Welt gekommen, so wie ihre zahlreichen Geschwister. Sie sollte nach ihrem Schulabschluss zum israelischen Militär gehen und dann studieren. Und irgendwann dort eine eigene Familie gründen.
    Aber es kam anders. Meine Großmutter machte den Fehler und ließ ihre älteste Tochter nach der Schule für vier Wochen nach Amerika reisen, damit sie Esther überredete, endlich zu ihnen überzusiedeln. Aber Esther wollte in den Staaten bleiben und meine Mutter traf Moshe Greenberg.
    Mein Vater hatte damals gerade seine Ausbildung zum Geigenbauer beendet. Gepackt von Reisewut hatte er seine Siebensachen gepackt und war als einer der Ersten nach dem Fall der Mauern in Osteuropa durch Polen, Tschechien und Russland gewandert. Er hatte die kasachische Steppe durchquert und sich die Mongolei angeschaut und dort alleine für sich seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert. Als er zurückkam, braun gebrannt, schweigsam und in einen fremdartigen mongolischen Mantel gehüllt, traf er auf dem Flughafen in Los Angeles meine Mutter, die auf ihren El-Al-Flieger wartete, der sie zurück nach Israel in den Schoß ihrer Familie bringen sollte. Esther stand mit finsterer Miene bei ihr und überlegte immer noch fieberhaft hin und her, ob sie bleiben oder mitreisen sollte. Nicht an diesem Tag natürlich, aber in naher Zukunft.
    »Sarah ist dort, meine Enkelkinder sind dort, Israel ist eine gute Sache, ich hätte euch alle um mich«, sagte sie wieder und wieder nachdenklich. »Aber andererseits hänge ich an meiner Arbeit in dieser kleinen, schmuddeligen Schule. – Sag mir, Delia, wer aus dem Kollegium dort wird – außer mir – Klein Megan, die immer so schmutzig in die Schule kommt, morgens vor Schulbeginn noch rasch baden, nach Läusen durchsehen und ihre verfilzten Härchen entwirren? Niemand wird das tun! Und außerdem habe ich schon mal ein Zuhause für immer verlassen! Und zu guter Letzt mag ich Los Angeles und meine kleine Wohnung in Venice.«
    »Entschuldigung«, sagte in diesem Moment der große, dünne Fremde mit den ernsten dunklen, tief liegenden Augen zu meiner Mutter, als er im Vorübergehen mit seinem schwarzen Musikinstrumentenkasten gegen sie stieß. »Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht wehgetan? Das war meine Geige.«
    Er hob erklärend den abgestoßenen Geigenkasten.
    Über den Fortlauf der Geschichte sind sich meine Eltern und Esther nicht einig. Von schönen Augen ist da die Rede. Von Liebe auf den ersten Blick. Von einer harmlosen Tasse Kaffee. Von Esther, die sich plötzlich wie das fünfte Rad am Wagen fühlte. Von einem schnell vorgespielten Stück auf der Geige vor meiner verblüfften Mutter und vielen anderen lauschenden Flugreisenden.
    »Verrückt, jetzt habe ich dich gerade erst getroffen und schon steigst du in einen Flieger und fliegst davon und wir werden uns vielleicht nie wiedersehen«, sagte Moshe Greenberg jedenfalls schließlich. Und dann tat er das in seinen Augen einzig Vernünftige.
    »Bleib«, sagte er. »Bleib in Amerika, Delia Cohen. Wenigstens so lange, bis ich dir alle Stücke dieser Welt auf meiner Geige vorgespielt habe. Überleg dann, ob du zurückgehen willst, einverstanden?«
    »In Ordnung«, sagte meine Mutter nach kurzem Zögern. »Wie lange wird das dauern? Nur damit ich einen ungefähren Zeitüberblick habe und es meinen Eltern mitteilen kann.«
    Da hatte Moshe Greenberg nur gelächelt, ihre schmale Hand in seine große genommen und sich in aller Form mit Delias Großmutter Esther Mandelbaum bekannt gemacht.
    Und so war meine Mutter in Amerika geblieben und ein Jahr später kam David auf die Welt.
    »Sie fliegen Jonathan per Helikopter nach Los Angeles ins Benjamin-Franklin-Transplantationszentrum«, sagte mein Vater ein paar Tage später. Er sah erschöpft und aufgewühlt

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