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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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Augenritzen, ein breites Kaschubengesicht; die da auf der Anklagebank sitzen, die waren es eigentlich nicht. Der schoss. Der hat den Revolver getragen. Beweis? Aber wird er gestehn? Er kann’s ja nicht sagen, er kann’s ja nicht sagen – er weiß was, auf wen …, schrieb Moon in kleinen schwarzen Druckbuchstaben auf seine Jeans. Direkt neben Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf morgen! und Entschlossenes Handeln am Rande des Wahnsinns.
    »Morbid«, sagte Kendra kopfschüttelnd lesend. »Von wem?«
    »Kurt Tucholsky. Zumindest Letzteres«, antwortete Moon knapp. »Willst du auch den Titel wissen?«
    Kendra nickte.
    »Gut Mord!«, sagte Moon, ohne die Miene zu verziehen.
    Es war jetzt eine Woche her, seit Moon Leeks Atelier in Venice zertrümmert hatte. Na ja, zumindest fast.
    Wir haben alle einen Schlüssel zu dem kleinen Apartment in der Upper Street. Aber Moon war der Erste von uns, der ihn genutzt hatte, um Leeks Hausstand zu zerlegen. Die aktuellen Zeichnungen und Skizzen meines Vaters, seine heilige Musikanlage aus den Achtzigerjahren, seine echt palästinensische Wasserpfeife, seine heimliche Marihuana-Zucht und Mister Geoffrey Snowwhite, eine alte Gipsskulptur, die er vor fast zwanzig Jahren in Berkeley als Erstsemester gebastelt und aus Nostalgiegründen behalten hatte.
    »Umgebracht hast du ihn wenigstens nicht«, murmelte ich. Ich lag im Gras, meinen Kopf auf Godots Brustkorb. Godot, gestern Abend frisch gebadet, roch nach Zitrone statt nach Hund, eine angenehme Abwechslung vom Alltag. Er schnarchte leise.
    »Was nicht ist, kann ja noch werden«, erklärte Moon und suchte via Google Earth die Hausnummer 427 der Upper Street auf seinem iPod.
    »Wunder der Technik«, murmelte er und sah sich Leeks Haus aus der Vogelperspektive an. »So betrachtet sieht das Atelier aus wie ein bisschen Vogeldreck und sonst nichts. – Was diese Weiber nur alle an Mr Arsch finden? Rothaarig, blass, sommersprossig und aufgeblasen, wie er ist.«
    »Was ist denn jetzt überhaupt mit dieser schwangeren Stewardess?«, erkundigte sich Kendra.
    Moon zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Es herrscht Ruhe. Ich nehme mal an, Ruhe vor dem Sturm. Leek ist seit seinem Arschauftritt nicht mehr in Erscheinung getreten. Der feige Sack!«
    »Er hat nur angerufen, nachdem er seine zerlegte Bude entdeckt hatte«, berichtete ich meiner besten Freundin schläfrig. Wir tranken alkoholfreie Pina Colada. In einer Stunde fing meine Schicht bei Folks in the Garden an, einem bunten Dies-&- Das-Shop in der Stadt, in dem ich schon seit über einem Jahr jobbte. Die Sachen dort waren lustig und flippig und kamen aus aller Welt, aber sie waren auch ziemlich teuer. Der Boss des Ladens war ein unentwegt quatschender, notgeiler Typ namens Ramirez. Er bezahlte allerdings nicht schlecht und gab mir Prozente auf alles, was mir gefiel. Dafür nahm ich in Kauf, dass er mir, wie allen seinen weiblichen Angestellten, auf Busen und Hintern starrte, sobald ich einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte.
    »Ist euer Dad ausgeflippt?«, fragte Kendra.
    »Nicht wirklich«, sagte ich.
    »Er hat es unserem Anrufbeantworter erzählt«, fügte Moon hinzu. »Er sagte, er sei schockiert und so was. Blablabla, eben.«
    »Und Rosie?«, fragte Kendra.
    »Sie hat alles ihrem Therapeuten erzählt. Und ihrer Freundin Jilliam. Und die hat Rosie dann mit zu einer stadtbekannten Lachtherapeutin geschleift. Das macht sie jetzt. Lachtherapie.«
    Kendras Augenbrauen schossen in die Höhe.
    »Das ist kein Witz, Kendra!«, sagte ich. »Sie ist da zusammen mit anderen Frauen, die betrogen wurden. Außerdem versucht sie, eine Art Zukunftsplan zu entwickeln. Einen Überlebensplan, wie sie es nennt.«
    Anscheinend reizte Moon irgendein Ton in meiner Stimme, denn er runzelte die Stirn und fauchte mich an: »Ist doch gut, dass sie endlich in die Gänge kommt. Vielleicht schafft sie ja diesmal den Absprung von dem miesen Potenz-Arsch. Dann ist dieser Stewardessen-Embryo wenigstens zu was gut!«
    »Das alles wird so lange gut gehen, solange wir noch was zu essen im Kühlschrank haben. Danach wird sie wieder in ihre alten Ich-liebe-Leek-über-alles-Muster zurückfallen, wetten?«, murmelte ich und verscheuchte eine summende Mückenarmada.
    Und dazu kam dieser idiotische anstehende Besuch meiner idiotischen Großeltern aus Deutschland! Immer noch schleppte ich diese Offenbarung wie einen Stein mit mir herum. Ich hatte immer auf einen passenden Moment der Enthüllung gewartet, aber

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