Wenn Eltern es zu gut meinen
und üben. Kleineren Kindern muss man diese Regeln in Form von Beispielen oder Geschichten und durch Anleitung nahebringen. Ab dem siebten Lebensjahr können Sie dem Kind helfen, sich die sechs Punkte und ihre Bedeutung einzuprägen, zusammen mit weiteren Regeln des Moralverhaltens, wie den Zehn Geboten. Sprechen Sie diese Punkte häufig an, etwa bei Tisch. Auch wenn sie sich mit einigen der im vierten Kapitel genannten Tugenden oder inneren Stärken überschneiden, sollten sie als praktische Übungen und Lebens regeln und weniger als Werte oder Einstellungen angesehen werden.
Jede religiöse Tradition gibt ihnen leicht abweichende Namen; ich ziehe die folgenden vor:
1. Großzügigkeit
2. Disziplin
3. Geduld
4. Fleiß
5. Konzentration
6. Weisheit
Als ich diese Lebensregeln vor vielen Jahren kennenlernte, erfuhr ich auch, dass die Reihenfolge nicht beliebig ist. Jeder Punkt fußt auf allen vorhergehenden. 23
Großzügigkeit , der erste Punkt, stellt die Vorbereitung und Grundlage für alle übrigen dar. Großzügigkeit bedeutet, an andere zu denken, sie im Sinn zu behalten und zu beschenken. Schon Säuglinge schenken den Menschen, die für sie sorgen, ein hohes Maß an Beachtung und Interesse. Säuglinge und Kleinkinder wünschen sich, dass ihre Bezugspersonen glücklich, sicher und gesund sind. Unser frühester Impuls ist, mit unserer Mutter in Beziehung zu treten und sie aufzuheitern. Wir werden mit dem Wunsch geboren, Bindungen einzugehen und aufrechtzuerhalten und die Menschen, die für uns sorgen, glücklich zu machen. Babys haben den natürlichen Impuls, ihre Mutter anzulächeln.
Der grundlegende Wunsch, andere zu beschenken, kann durch Misshandlungen, Vernachlässigung oder Traumata stark verzerrt und entstellt sein. Er kann für die falschen Zwecke verwendet und sogar als Schwäche ausgelegt werden, aber es ist ein fundamentaler Impuls in uns allen. Großzügigkeit entwickeln wir am einfachsten, indem wir uns in unserer Umgebung in einem beliebigen Augenblick umschauen, um herauszufinden, welchen Beitrag wir leisten können. Selbst kleine Kinder kann man lehren, anderen zu helfen, zum Beispiel Dinge für sie zu tragen, still zu sein oder Platz zu machen, wenn die anderen Aufmerksamkeit oder Respekt in dieser Form brauchen. Oft glauben Menschen, Großzügigkeit sei an besondere Umstände,
wie ehrenamtliches Helfen, geknüpft, aber das stimmt nicht. Tatsächlich kann man Großzügigkeit - liebevolle Hilfe aus freien Stücken - gewöhnlich am besten in unvorhergesehenen Situationen üben, als eine Art »zufällige Aktion der Güte«. Auch wenn eine Tätigkeit als freiwilliger Helfer oder Helferin die Großzügigkeit in uns und unseren Kindern stärkt, kann sie sie auch begrenzen, denn wir sagen uns vielleicht insgeheim: »Gut, jetzt habe ich geholfen, ich habe meinen Beitrag geleistet und brauche nun auf die Bedürfnisse anderer nicht mehr zu achten.« Die aufmerksame Anteilnahme an dem, was in jedem Augenblick geschieht, um, wenn nötig, Beistand zu leisten, ist ein langfristiges Ziel.
Für Teenager und Jugendliche in der Pubertät kann es zur Erweiterung des Horizonts nützlich sein, sich als freiwillige Helfer um Arme, Alte oder irgendeine andere bedürftige Gruppe zu kümmern. Doch insbesondere für Angehörige der Generation Ich ist es wichtig zu lernen, dass andern zu helfen nicht etwas ist, was man dann tut, wenn es gerade in den Zeitplan passt. Kindern und Jugendlichen fällt es relativ leicht, einem Freund beizustehen, hingegen schwer, einem Konkurrenten (vielleicht dem Bruder, der Schwester oder einem anderen Rivalen) zu helfen. In Familienkonferenzen können Eltern auch ihre jüngsten Kinder motivieren, ihre Großzügigkeit zu entfalten, indem sie sie bitten, ihren Geschwistern zu helfen, auch wenn diese mit ihnen rivalisieren. Eltern sollten selbst mit gutem Beispiel vorangehen und ihren eigenen Konkurrenten ebenfalls Freundlichkeit und Großzügigkeit entgegenbringen.
Als Übungspraxis weckt Großzügigkeit in uns Gefühle der Anerkennung und Dankbarkeit. Wenn wir
sehen, wie einfühlsam und mitfühlend wir werden müssen, um wirklich helfen zu können, beginnen wir auch zu erkennen, wie uns geholfen worden ist. Dann ist unser Herz automatisch von Dankbarkeit für das erfüllt, was andere uns gegeben haben.
Angehörige der Generation Ich empfinden manchmal keine große Dankbarkeit für das, was sie bekommen haben, weil sie oft selbst nicht großzügig und freundlich gegenüber Älteren
Weitere Kostenlose Bücher