Wenn Eltern es zu gut meinen
chancen haben, solche mit einem gesunden Moral kodex. Diejenigen, die Erfolg haben, sind es gewohnt, dass ihnen viele Menschen eine Menge Fragen stellen, und sie wissen, wie man darauf höflich antwortet.«
Als ich nachfragte, ob es in den letzten zehn Jahren Veränderungen gegeben habe, sagte sie: »Ich glaube, es gibt leichte Veränderungen. Die Eltern sind inzwischen engagierter, weil sie für die Ausbildung hier sehr viel bezahlen. Sie nehmen sich ein größeres Mitspracherecht, was ich begrüße.« Ich fragte nach Problemen mit Helikopter-Eltern, und Dekanin Mathis zuckte mit den Schultern und sagte: »Ich halte diese Eltern für einen Gewinn. Ich ordne sie nicht auf diese Weise ein.« In meinem langen und angenehmen Gespräch mit Frau Mathis wurde mir klar, dass ich mich in einer Umgebung befand, in der gute Manieren und Anstand eine Voraussetzung waren. Eltern und Kinder wussten, wenn sie hierherkamen, dass sie sich darauf einließen, sich auf die Pflicht, die Gemeinschaft und andere zu konzentrieren statt auf sich selbst.
Martha Mathis erklärte mir, dass der Erfolg in Norwich nicht »in Privilegien eingepackt ist. Er ist eher in Moral und Interdependenz eingepackt.« Ich war überrascht, letzteren Begriff hier zu hören, und fragte nach: »Meinen Sie, für die Gemeinschaft sorgen?«, worauf sie erwiderte: »Ja. Ich finde es gut, dass mein Portemonnaie
und meine Kreditkarten im Auto liegen, während wir uns unterhalten, und mein Schlüssel im Zündschloss steckt. Das gefällt mir. Es heißt etwas, wenn man auf den Zusammenhalt in der eigenen Gemeinschaft zählen kann. Bei den Kontakten mit meinen Studenten, also wenn ein Student in das Dekanat kommt, bin ich nicht sofort misstrauisch. Es könnte dahin kommen, aber das ist nicht mein Ausgangspunkt.«
Nach meinem Gespräch mit Frau Mathis und der Lektüre der Leitwerte von Norwich war ich fasziniert. Aus meinem persönlichen Hintergrund und meiner langjährigen Erfahrung in Paartherapie weiß ich, dass Vertrauen zueinander das Fundament für unsere glücklichsten Erfahrungen ist. Wenn wir zutiefst glauben, dass wir denen, von denen wir abhängen - unseren Eltern, Freunden, Partnern und uns selbst - trauen können, sind wir sofort glücklicher und entspannter. Das ist der Grund dafür, dass Anstand und innere Stärken mehr zählen als Begabung, und die Grundlage für die Entwicklung unserer Talente bilden.
Uns selbst akzeptieren, wie wir sind
Im ersten Kapitel hörten wir Adrienne, die 33-jährige Assistenzärztin, sagen, dass sie sich wünsche, »nicht in dieser Dunkelheit zu versinken«. Wir haben erfahren, dass diese Dunkelheit die Selbstwertfalle der negativen Selbsteinschätzung ist: Angst, Versagensängste, Rastlosigkeit und Scham, die die unglücklichen Begleiter unserer übertriebenen Ansprüche an uns selbst und unser Leben sind. Wie fühlt es sich an, frei von der Selbstwertfalle zu sein?
Vor allem ist es eine Arbeit, die nie ein Ende hat. Wir kommen nicht in der Selbstakzeptanz an und leben dann einfach dort. Jeden Tag lassen wir uns aufs Neue auf unsere Beziehungen und uns selbst ein und beziehen Kraft aus der inneren Stabilität, die sich ent wickelt, wenn wir Schwierigkeiten überwinden und Probleme lösen, aus der Disziplin eines guten Gewissens und innerer Stärken, aus unserer Selbstbestimmung und Eigenständigkeit, aus der Übung, normal zu sein, und aus einer wachsenden Offenheit für unsere Interdependenz durch Einfühlungsvermögen, Liebe, Mitgefühl und Spiritualität.
Als Eltern entdecken wir, dass wir, wenn wir unseren Kindern den Weg zur Selbstakzeptanz vermitteln und zeigen, selbst auch davon profitieren. In dem vorliegenden Buch habe ich wiederholt den Weg zu einem neuen Selbstvertrauen dargestellt, das nicht auf idealisierten Ansprüchen an uns selbst und andere gründet. Wenn wir versucht sind, uns anzugreifen, weil wir - als Kinder, Jugendliche oder Erwachsene - irgendwelchen Idealvorstellungen nicht gerecht wurden, halten wir inne und schauen uns nach einem realistischeren und mitfühlenderen Ansatz um. In dem Wissen, dass Schwierigkeiten und Enttäuschungen wie auch Schmerz und Krankheit Teil des Lebens sind, erwarten wir nicht länger, dass wir diese frustrierenden Erfahrungen ganz von uns fernhalten können. Stattdessen können wir aus ihnen lernen und sie mit Humor betrachten, ohne den Anspruch zu erheben, dass selbst das uns vollkommen gelingt.
Wir lernen, uns selbst, die wir verletzliche menschliche Wesen mit allen
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