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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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auf.
    »What’s wrong with you, Tilly?«
    »Nothing«, sag ich.
    »Du hättest mir Haarfärbemittel mitbringen können!« Sandra ist stocksauer.
    »Wieso hast du’s nicht auf die Liste geschrieben?«, brülle ich zurück.
    »Was ist mit Tampons?«
    Seit zehn Minuten schreien Vanessa und Jana auf mich ein und jetzt auch noch Sandra.
    »Sind in der Kantine bei den Vorräten, ein riesiger Karton.«
    »Dann hol sie, Schlampe!« Jana fliegt vor Wut Spucke aus dem Mund.
    »Hol sie selber! Ich hab keinen Bock für dich mit ’ner Schachtel Tampons an deinen blöden Lovern vorbeizulatschen und mir deren intelligente Kommentare reinzuziehen.«
    »Kotzt mich das an«, schreit Vanessa zum hundertsten Mal. »Immer kriegst du ’ne Extrawurst! Immer du!«
    »Jeder kann laufen, ihr auch. Kein Schwein hindert euch daran! Und ihr wart schon zweimal in Ivalo einkaufen. Schon vergessen?« Ich schmeiß die Tür hinter mir zu. Immer neiden sie mir etwas. Das macht mich fertig. Lasst mich doch einfach in Ruhe. Arschlöcher!
    Koljas Stimme von oben: »Eh, Tilly. Was ’n los mit dir?«
    Er sieht von einem Stapel Paletten auf mich herunter.
    »Ich geh zum Fluss.«
    »Ich komm mit.« Er springt, geht in die Knie und latscht neben mir her.
    »Ich wär gern allein«, sage ich.
    »Alles andere hätte mich echt überrascht.«
    »Dann verzieh dich.«
    »Du gehst ’ner Menge Leute auf die Nerven.« Kolja grinst. Kein Kommentar.
    »Aber Sandra mag dich. Oder sagen wir mal, sie bewundert dich.«
    Das Rauschen des Flusses klingt besser als alles, was ich sagen könnte. Und der scharfe Gegenwind nimmt mir noch dazu den Atem.
    Kolja dreht sich um und stemmt sich mit dem Rücken gegen den Wind. Wie auf einem Bürgersteig geht er unbeeindruckt rückwärts neben mir her. Bloß, hier liegen Steine rum, und würde ich ihn nicht an der Schulter um die Hindernisse herumdrücken, würde er hinfallen.
    »Sandra macht mich an. Wie alle.«
    »Du beleidigst sie.«
    »Schwachsinn.«
    »Du ignorierst sie wie alle anderen auch. Sie ist aber nicht wie alle anderen.«
    »Ich auch nicht. Ich bin gern allein, so ist das eben. Nix gegen Sandra oder dich.«
    »Bullshit, jeder braucht Freunde. Tu bloß nicht so.«
    Gilt nicht für mich. Glaub nicht, dass ich welche brauche. Ich weiß ja nicht mal, wer ich bin. Nicht mal im Ansatz. Und das ist kein Philosophenscheiß, sondern eine Tatsache.
    »Hallo! Was macht ihr hier?«
    Jemand schreit, ich dreh mich um.
    »Kolja! Verdammt noch mal, warte!«
    Bei dem Windgeheul und Wasserrauschen hab ich Sandra nicht kommen hören. Kolja muss sie gesehen haben. Er geht immer noch rückwärts und winkt ihr zu.
    Tja, aber das beschwichtigt sie nicht. »Bleib stehen!«
    Sie rauscht dergestalt an, dass der eisige Wind wie ein laues Lüftchen dagegen wirkt.
    Faucht mich an: »Du bist echt das Allerletzte!«
    Sie heult fast vor Wut. Meine Bewunderin, meine » Willst-du-meine-Freundin-sein?«- Bewerberin ist knapp davor, mir eine in die Fresse zu hauen.
    Kein Gefällt mir , keine Likes oder Smileys ☺ für Tilly.
    »Kolja hat bloß jemand gebraucht, vor dem er seine Bewunderung für dich zum Ausdruck bringen konnte. Falls du auf irgendwelche blöde Gedanken kommen willst, bitte, mach’s. Aber du liegst hundertpro falsch.«
    Ich dreh auf dem Absatz um und geh zurück. Freunde? Leckt mich! Keine Ahnung, wo ich hingehen soll. Meine Augen brennen. Ich stolpere ein bisschen hierhin und ein bisschen dahin. Dann gehe ich Richtung Container  6. Überraschenderweise erwartet mich dort eine Oase des Friedens, eine verzauberte Bude, denn Vanessa und Jana sind nicht da. Mein Heim aus Blech ist dunkel und leer! Yippie! Dafür geht es im Container 2 hoch her. Hämmert da nicht der bescheuerte Rapper MC Urologe seine bescheuerten Reime gegen die Containerwände? Und wenn ich mich nicht irre, kreischt Vanessa mit, nicht unbedingt im Rhythmus. Vielleicht hat Kolja recht damit, dass jeder Freunde braucht, aber nicht einmal eine dreistellige Geldsumme könnte mich da hineinlocken. Auch Container 4 ist dunkel. Das heißt, Paolo und Sam – Kolja ist ja noch mit Sandra am Fluss  – feiern in 2 mit. Okay. Trotzdem will ich da nicht hin.
    Will ich nicht oder traue ich mich nicht?
    Ich will nicht.
    Traue ich mir?
    Nein! Egal. Ich lege mich ins Bett, schließe die Augen und flenne. Das heißt, es flennt mich. Ich kann nicht weinen.Es war ein verdammt langer Tag im verdammt hohen Norden. Sehr einsam, sehr finnisch. Darüber schlafe ich ein.
    Mein Kopf fliegt

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