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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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müssen.
    A. Paolo, Kolja und ich müssen lernen, vom untersten Sozialhilfesatz leben zu können, denn das sei unsere Zukunft, sagt er. Wir sollen lernen, den zeitlosen Chic aus Secondhandläden neuen, sprich geklauten, Klamotten vorzuziehen. Statt Sachen aus dem Supermarkt zu verkochen, sollen wir selbst gezogenes Gemüse vom Acker verwenden. Im Licht der funzeligen Glühbirne im Spinnenkeller muss ich Kartoffeln mit armlangen Trieben holen und in einem Sandhaufen voller Krabbelviecher nach Möhren und roter Beete graben. Horror!
    B. Sollte es möglich sein, dass wir uns, trotz des extrem verkorksten Starts in unser Dasein, einen Rest eigener Vorstellungskraft erhalten hätten, was wir mit unserem Leben realistisch , das betont Beck ätzend, anfangen wollen,dann werde er uns bei unseren Vorhaben keine Steine in den Weg legen.
    C. Gesetzt den Fall, wir zeigen Motivation und Ausdauer, will er sich richtig dahinterklemmen, dass es uns gelingt, unseren Weg zu gehen.
    Wenn nicht, zurück auf A.
    Er kümmert sich hauptsächlich um den Ausbau seines Bauernhofs und um die komplizierte Fernbeziehung zu einer, die wir nicht zu Gesicht kriegen.
    Wir sind mitten in der Provinz gelandet, exakt hinterm Reißverschluss, sozusagen im Schritt der toten Hose. Hier hat der Chef, also Beck, vor zwei Jahren von seinem verstorbenen Vater, Dr. Ludwig Ernst Beck, das Bauernhaus geerbt, das er seither verbissen renoviert. Und weil es ihm auf die Nerven geht, wenn wir ihn in der Werkstatt stören, steckt er uns in einen Vorbereitungskurs für den externen Hauptschulabschluss, obwohl wir unserer Schulpflicht nachgekommen sind und mehr als unregelmäßig neun furchtbare Jahre in wechselnden Lehranstalten abgesessen haben.
    Morgen, am 7. Januar, geht’s los.
    »Tilly!«
    Ich reagiere nicht, sitze auf dem Fensterbrett und blicke im bläulichen Dämmerlicht Richtung Süden auf vereinzelte Schneeflächen. Sie machen, dass die Felder drum herum besonders düster aussehen. Seltsam warm ist es zurzeit. Die Landschaft ist gut zum Laufen. Nicht lieblich, aber schön, ein Auf und Ab, weit und karg wie das Zimmer hinter mir. Mein Zimmer: ein Bett, ein Schrank, ein Stuhl, ein Tisch, that’s it. Eine Tür mit Schlüssel, das war meine einzige Forderung bei der Zimmervergabe.Größe und Lage – egal. Paolo hat das größte Zimmer genommen. »Ich bin der Älteste.« Dafür hat Koljas Zimmer einen direkten Zugang zum Badezimmer, das er sich mit Paolo teilt. Mein kleiner Raum geht nach Süden raus und ich hab ein eigenes, klitzekleines Badezimmer für mich allein. Dusche, Waschbecken, Lokus nur für mich – Luxus pur! Ich liebe es, könnte jede einzelne Kachel knutschen. Das gilt nicht für die Küchenkacheln am Ende des Flurs. Hier sollen wir nach der Vorstellung des Chefs unsere extrem preiswerten und trotzdem gesunden Gerichte zubereiten und die hygienische Pflege eines Gemeinschaftsraumes üben. Ein Sessel und zwei Sofas stehen über Eck neben dem Esstisch, über dem der Chef tückischerweise den Fernseher angeschlossen hat. Wir sind gezwungen, uns hier miteinander zu arrangieren.
    Paolo hält die Wohnzimmerküche für den Ort, an dem ich meinen letzten Schliff als Magd bekommen soll. »Tilly, Abwasch. Du bist dran.« Morgens, mittags, abends. »Der Herd muss abgekratzt werden, Tilly.« Nicht witzig. Paolo ist nicht die größte Enttäuschung meines Lebens, aber ziemlich dicht dran.
    Das Bauernhaus ist voller überdachter Möglichkeiten. Doch trotz der riesigen Heuböden, Ställe und Verschläge habe ich für meine Panikbücher noch kein vernünftiges Versteck gefunden. Lauterstetten und Umgebung dagegen kenn ich bis zum letzten Schuppen. Ich kontrolliere, wer durchs Kaff fährt, habe einen Blick auf Autokennzeichen, lausche, wer hinter mir hergeht, und bin trotz täglicher Panikattacken FAST sicher, dass keine Frankfurter Mitarbeiter der GDS, Gesamtdeutsche Security , oderanderweitige verdächtige Subjekte hinter mir her sind. Trotzdem klebe ich einen Plan vom Kaff ins Panikbuch, mach Kreuzchen und schreibe:

    6. 1. 13
    Lauter Stellen für Heckenschützen in Lauterstetten,
    allein bis zur Bushaltestelle 26 Möglichkeiten.
    Das ist nur ein Beispiel meiner zahllosen Widersprüche, die mich total unentspannt machen.
    »Tilly!« Kolja platzt ohne anzuklopfen bei mir rein. »Beck hat gekocht. Unten riecht es wie im Hotelli Inari, total lecker. Komm endlich, ich sterbe vor Hunger. Wir essen in seinem Wohnzimmer und anschließend will er sich mit uns

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