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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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unterhalten. Vorm Kamin.« Die Vorstellung gefällt ihm. Seine Augen leuchten. Er blüht auf. Das Landleben tut ihm gut.
    »Klopf gefälligst an.«
    »Komm gefälligst runter, Zicke. Ewig nervst du rum, dass du mit uns einen Kaminabend machen willst …«
    Ja, hab ich mir zu Weihnachten gewünscht, stimmt. Ich hatte auch für alle ein Geschenk. Macht ja nichts, hab’s kapiert, obwohl ich ’ne lange Leitung hab.
    »… und jetzt lässt du dich bitten und uns warten.«
    Jawohl, Arschloch. Ist doch logisch, dass ich nicht die Einzige bin, der entwürdigendes Betteln und Warten keine Feierlaune machen, denke ich.
    Worauf mich Gedankenleser Kolja packt und hinter sich her die Treppe hinunter ins Erdgeschoss schleift.
    Beck bewohnt es allein. Uns ist das Betreten in seinerAbwesenheit untersagt. Absolut tabu ist für uns die Bibliothek seines verstorbenen Vaters im ersten Stock, wo unsere Zimmer liegen. Sie befindet sich über Becks Wohnzimmer und ist abgeschlossen. Kaum war das Verbot ausgesprochen und der Chef weg, hat Kolja die Tür aufgeschlossen . Überall Bücher, an allen Wänden volle Bücherregale, im Raum volle Stehregale, davor Schreibtische, Lesesessel und Lampen. Gemütlich halt, sonst nichts.
    Kolja hat wieder abgeschlossen und wir sind zur Besichtigung von Becks Privaträumen geschritten. Das hab ich jetzt auch vor, also reiß ich mich aus Koljas Klammergriff los und schreite würdig in Becks Salon.
    »Platz da!« Paolo rempelt mich von hinten an. »Vorsicht, heiß und fettig!« Er trägt auf, zwei dampfende Schüsseln gleichzeitig, die ihm zu schwer werden. Es scheppert beim Aufsetzen.
    »Was schließen wir daraus?« Beck trägt die Rehkeule hinter Paolo her. »Du musst zweimal gehen wie ich …«
    »Ich muss mir Hanteln besorgen«, entgegnet Paolo fast zeitgleich. Er zündet zwei Tischkerzen an und wirft mir einen Blick zu. »Achte auf die Tischdecke! Wie gefällt sie dir?«
    »Weihnachtlich.« Außen herum am Saum laufen grob auf das Leinen gedruckte Rentiere mit Schlitten entlang. Auf dem Tisch liegt Tannengrün.
    Paolo triumphiert: »Die Deko ist von mir.«
    »Setz dich.« Auch Beck macht einen vergnügten Eindruck.
    Ich bleib stehen, schlucke meinen Groll hinunter und schwöre mir: Nie wieder werde ich meine bescheuerteWG um etwas bitten. Entweder ich mach’s einfach, oder ich warte, bis die Affen es tun und denken, es sei ihre Idee.
    »Das sollten wir jeden Samstag machen«, sagt Paolo begeistert.
    Heute ist Sonntag, Schwachkopf.
    »Nächsten Samstag koch ich.« Kolja, der Sternekoch.
    Der Chef sieht mich an und fragt: »Kannst du eigentlich auch kochen?«
    »Was heißt auch?«, frag ich zurück. Sind im neuen Jahr alle verblödet?
    »Vergleichbar mit Paolo zum Beispiel?«, will er wissen.
    »Kann der mehr, als an einem samstäglichen Sonntag Wasser kochen?« Das wär mir neu.
    »Tilly, sei friedlich oder du kommst wieder ins Heim.« Paolo rückt mir einen Stuhl zurecht. »Hau dich hin und lass dich von uns bedienen.«
    Okay. Die Rehkeule ist lecker und die Rosmarinkartoffeln, der Rotkohl und der Salat auch. Im Kerzenlicht erzählen Paolo und Kolja Geschichten aus dem Dorf. Ich kann mich nicht sattsehen am Kaminfeuer und könnte weinen, tu’s aber nicht und fahre stattdessen erschrocken zusammen.
    DRINNNGGG! Die Türglocke schrillt – zum ersten Mal. Normalerweise ist die Haustür nie abgeschlossen, wenn der Chef da ist. Die Leute kommen einfach rein und rufen laut nach dem, den sie besuchen wollen.
    Beck springt auf und eilt hinaus. Hä? Kommt etwa seine Freundin zu Besuch? Mit Flötenspiel?
    Kinderstimmen und Gesang werden lauter.
    Wir gaffen zuerst uns an, dann einen Mohren mit geschwärztemGesicht unterm Turban, gefolgt von zwei Königen.

    Führ uns zum Stall und zu Esel und Rind,
    Stern über Bethlehem, führ uns zum Kind.
    Sieben Augenpaare sind auf uns gerichtet. Die singenden Könige werden begleitet von drei Flötenmädchen und Pater Johannes Kloop, Weihrauch schwenkend.

    Stern über Bethlehem, wir sind am Ziel,
    denn dieser arme Stall birgt doch so viel.
    »Vielen Dank, ihr Lieben.« Freudestrahlend stopft der Chef je zwanzig Euro in die Sammelbüchsen von Melchior und Balthasar. »Zum Aufwärmen einen Schnaps, Pater?«
    »Da sag ich nicht Nein.«
    Mir fällt auf, dass der Chef eine Flasche und Gläser auf einem Tablett bereits vorbereitet hat. Wir stehen verklemmt am Tisch. Der Pater blickt wohlwollend auf uns vom Brauchtum überrumpelte Problemkinder und sagt: »Prosit.« Der

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