Wenn es daemmert
gab Cedric ihm keine Gelegenheit. »Ich verstehe mich mäßig mit meinem Vater, weil ich etwas studiere, was mir Spaß macht, und nicht das, was er für mich vorgesehen hatte. Das kommt, wie Sie sehen, in den besten Familien vor.« Brady holte tief Luft, und Cedric sprach weiter: »Ich habe mich mit Matt nicht so gut verstanden, dass es für eine Freundschaft gereicht hätte, weil er sich deutlich mehr für Partys und Ähnliches interessierte als ich. Aus diesen beiden Umständen können Sie sich gerne zusammenreimen, was Ihnen Freude bereitet.«
»Große Freude«, betonte Brady.
»Dass ich eine andere Art habe, auf mir überbrachte Nachrichten zu reagieren als andere Menschen und dass ich in der Lage bin, die grammatikalisch richtige Vergangenheitsform zu benutzen, hängt unter anderem damit zusammen, dass ich einen deutlich höheren IQ habe als die meisten Menschen, inklusive Ihnen.«
Hier fing Sergeant Hepburn an zu husten. Unbeirrt fuhr Cedric fort: »Aber das wissen Sie vielleicht auch schon, wo Sie doch sonst so viel über mich und meine Familie wissen. Und da keiner von uns weiter etwas zu Ihren Ermittlungen beitragen kann, bitte ich Sie, dieses Haus zu verlassen. Ich habe Sie nicht hereingebeten, und ich denke, dass selbst die Polizei kein Recht hat, in fremden Häusern herumzusitzen, solange sie will. Guten Tag.« Cedric erhob sich. Es war vermutlich ein Höflichkeitsreflex, dass auch die beiden Polizisten aufstanden. Widerwillig gingen sie zur Tür, Brady mit rotem Gesicht, Hepburn mit einem Ausdruck von Mitleid. Für wen?
»Ist Ihr Zimmer eigentlich schalldicht?«, fragt Brady, als er schon in der Eingangshalle war.
»Leider nicht, aber es ist sehr gut isoliert. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag.« Cedric schloss die Tür hinter den beiden. Als er sich umdrehte, sah er Pete und Doug hinter sich.
»Bist du wahnsinnig, du kannst doch so nicht mit den Cops reden?«, rief Doug. »Die buchten dich noch ein!«
»Ihr seht alle zu viel fern«, sagte Cedric nur und dachte dabei an »Life on Mars«. Er überlegte gerade, warum er diese Serie so gut kannte, als es klingelte. Er öffnete die Tür. Es war Hepburn, und sie war alleine. Aber Cedric konnte sehen, dass Brady auf der Straße in einem Wagen auf sie wartete.
»Entschuldigen Sie, Sir«, sagte Hepburn. »Nur noch eins. Kennen Sie eine Mina Williams?«
»Natürlich.«
»Persönlich oder aus der Presse?«
»Sie hat den Creative-Writing-Kurs von Professor Scott übernommen und betreut damit auch meine Abschlussarbeit.«
»Wussten Sie, dass Sie Matthew Barnes kannte?«
Cedric zuckte die Schultern. »Das Privatleben von Miss Williams hat mich bisher nur mäßig interessiert. Wenn noch etwas ist, rufen Sie bitte vorher an.«
Er schloss die Tür und machte die Augen für einen Moment ganz fest zu, wartete, bis sich die Anspannung wieder löste. Was hatte er für einen Unsinn von sich gegeben? »… dass ich einen deutlich höheren IQ habe als andere Menschen …« Warum sagte er so etwas?
Als er die Augen wieder aufmachte und sich umdrehte, waren Doug und Pete verschwunden.
6.
Diesmal war wieder alles anders. Diesmal saß ihre Mutter an ihrem Bett. Sicher träumte sie. Die Polizistin, die Hepburn hieß und ein Fan von ihr war. Der tote Golfer, dem sie ins Bad gekotzt hatte. Nun ihre Mutter an ihrem Bett. Vielleicht war sie wieder fünf Jahre alt. Realität war schließlich nichts, worauf man sich allzu sehr verlassen konnte.
»Sag mir nur grob, in welchem Jahr und auf welchem Planeten wir sind«, sagte sie.
Ihre Mutter lachte. »Du solltest nicht meine Handynummer als ›Im-Notfall-zu-verständigen‹-Nummer aufschreiben, wenn du nicht willst, dass ich auftauche.«
»Und wer hat entschieden, dass die ›Im-Notfall-zu-verständigen‹-Nummer angerufen werden muss? Warte, ich weiß. Sie heißt Hepburn.«
»Reizendes Mädchen«, sagte Margaret Williams.
»Das Mädchen ist nicht viel jünger als ich. Wenn überhaupt.«
»Sag ich doch. Reizendes Mädchen.«
Mina rollte mit den Augen. »Was hat das reizende Mädchen denn der Mama von dem ungezogenen Mädchen erzählt?«
»Nur, dass ich nach dir sehen soll. Also hab ich meinen Urlaub noch ein paar Tage verlängert.«
Margaret Williams arbeitete für das British Council und lebte schon seit Jahrzehnten nicht mehr in Großbritannien. Vor vier Tagen war sie zur Beerdigung ihres Vaters aus Wien angereist. Auf dem Friedhof von Morningside hatte man ihn bestattet. Die Urne wurde im
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