Wenn es daemmert
Angelegenheit, er hatte gerade erst ein großes Haus gekauft, neue Möbel, neues Auto … Erst sah es so aus, als müsse er das alles wieder verkaufen, aber das ist nicht passiert. Im Gegenteil, er macht seither immer sehr kostspielige Urlaubsreisen. Fliegt nach Hawaii oder Florida, verschwindet für drei Wochen im Luxushotel in Kairo. Vor kurzem war er sogar in Dubai.«
»Erpressung könnte also eine Möglichkeit sein.«
Isobel hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. Sie war noch nicht fertig. »Wenn dieser Arthur also zu einem Menschenhändlerring gehört, braucht er, wie ich schon sagte, Leute, die ihm helfen. Politiker, Bankiers, Immobilienhändler, Mitarbeiter an wichtigen Stellen in Behörden … Nachdem wir drei uns im Pub meiner Eltern getroffen haben, habe ich mich schlaugemacht. Es gibt in jeder Stadt, in jedem Gebiet rivalisierende Banden, die sich bekriegen, bis eine die Oberhand gewinnt und die anderen verdrängt. Wer die meisten Leute schmiert, der gewinnt. Diese Bande kontrolliert dann alles: Prostitution, Drogenhandel, Waffen. Sie entscheiden, wer ein Restaurant eröffnen darf, wer den Bauauftrag für ein neues Bürogebäude bekommt …«
»Ist das nicht etwas übertrieben?«, fragte Cedric skeptisch.
»Übertrieben? Nein.«
»Was sind das für … Banden? Russen?«
»Oh, sie können von überall her kommen. Albanien, Lettland, Italien, China … Such dir etwas aus.«
»Aber woher haben sie das Geld, um so viele Leute zu bestechen?« Cedric wusste selbst, wie naiv die Frage war. Isobel antwortete trotzdem: »Es fließt nicht nur Geld. Politiker erhalten VIP -Karten für private Saunaclubs, Bankiers bekommen Übernachtungen in den teuersten Hotels, ohne einen Penny zahlen zu müssen. Dazu liefert man ihnen Mädchen oder Jungs, je nach Gusto, frei Haus auf ihre Zimmer. Vielleicht mit einer Zusatzprise Koks … Am nächsten Tag unterzeichnen sie einen Kreditantrag, den sie im Normalfall niemals genehmigt hätten.«
»Cunningham kann da nicht mit drinstecken«, sagte Cedric bestimmt. »Er hat uns auf Arthurs Spur gebracht.«
Isobel zuckte die Schultern. »Hat er? Er könnte euch damit auch direkt in die Höhle des Löwen locken wollen.«
»Er ist Minas Vater!«
Sie sahen sich lange an, und Cedric dachte: Sie hat Recht.
»Ich meine nur, ihr solltet vorsichtig sein, wem ihr euch anvertraut.« Isobel stand auf und holte sich eine neue Flasche Wasser aus der Küche. »Du bleibst heute Nacht hier, und morgen fahren wir nach Edinburgh. Ich melde mich krank.«
»Wir müssen herausbekommen, wer dieser Arthur ist. Wie er heute heißt«, sagte Cedric.
»Das kann ich nicht ohne Polizeicomputer. Und außerdem muss jeder Zugriff genehmigt sein. Wir müssen …«
Ihr Handy klingelte. Genervt sah sie auf das Display, schien zu überlegen, ob sie es nicht einfach weiterklingeln lassen sollte, ging dann aber doch ran.
»Brady ist was ?«, rief sie, nachdem sie eine Weile zugehört hatte. Sie ging unruhig im Zimmer auf und ab und hörte weiter zu. Dann sagte sie: »Gut. Sagt dem Anwalt von Manzi Bescheid. Ich komme«, und beendete das Gespräch. Sie sah Cedric an, traurig und verstört.
»Was ist passiert? Doch nichts mit Mina?«, fragte er aufgeregt.
Isobel schüttelte den Kopf. »Pete Rollins hat sich umgebracht und zwei Morde gestanden. Und Chief Inspector Brady ist seit heute Nachmittag spurlos verschwunden.«
3.
Mina war völlig erschöpft, als sie die Spitze des Calton Hill erreicht hatte. Den ganzen Tag war sie zu Fuß durch die Stadt gegangen. Sie war nicht zu dem Parkhaus gegangen, von dem Cedric erzählt hatte, dazu fühlte sie sich nicht stark genug. Stattdessen hatte sie sich in der Scottish National Portrait Gallery herumgedrückt, hatte in der Stills Gallery mehr Zeit vor den einzelnen Fotos verbracht, als eine japanische Reisegruppe für ganz Europa brauchte, war alle kleinen Gässchen zwischen der Royal Mile und Princes Street Gardens rauf- und runtergegangen, hatte sich sogar eine halbe Ewigkeit bei Jenners gelangweilt, sodass die Verkäuferinnen schon misstrauisch geworden waren. Die Zeit verging nicht, wenn man wartete, und sie musste warten, bis sie sich mit der Frau treffen konnte.
Nach ihrem »Einkaufsbummel« hatte sie sich kurz mit ihrem Onkel David getroffen. Er hatte sie erst zum Gerichtsgebäude bestellt, es sich aber dann anders überlegt und sie ins Guildford Arms beordert, ein schönes traditionelles Pub in der West Register Street, etwas abseits des Gedränges der
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