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Wenn es daemmert

Wenn es daemmert

Titel: Wenn es daemmert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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Wohnungen waren zerbrochen. Maklerschilder hinter den Fenstern sahen aus, als hingen sie dort nicht erst seit einer Woche. Werbeposter an Plakatwänden hingen in Fetzen herunter. Eine schreckliche, eine hässliche Gegend, dunkel und gemein, und doch waren Menschen auf der Straße, zu Fuß unterwegs, schutzlos im Freien, und schienen sich nicht im Geringsten darum zu kümmern, wie alles um sie herum zerfiel, wie ein Riss durch diese Kulisse ging wie durch das House of Usher.
    Dies ist nur ein Industriegebiet, dachte Cedric. Industriegebiete in großen Städten sind oft hässlich. Da kann sich das Morgenlicht so viel Mühe geben, wie es will.
    »Bist du sicher?«, fragte er Pepa.
    Sie nickte resolut. »Eine gute Frau«, sagte sie bestimmt, öffnete die Beifahrertür und sammelte ihr Gepäck ein. Dann zog sie einen Zettel aus ihrer Hosentasche, hielt ihn Cedric hin und sagte: »Dein Vater.«
    Verwundert nahm Cedric den Zettel und faltete ihn auf: die Adresse einer Homepage. Als er wieder aufsah, winkte Pepa, dann warf sie die Tür zu und verschwand in einer Seitenstraße. Cedric wischte sich die Hände an einem Tuch ab, wickelte den Zettel darin ein und legte ihn auf den Beifahrersitz. Dann programmierte er das Navigationsgerät neu, wendete den Wagen und fuhr zurück.
    Bloß weg hier, dachte er und sah stur geradeaus, um keine der Frauen am Straßenrand ansehen zu müssen. Nicht, dass mich die Polizei noch anhält.
    Sie könnten denken, ich sei ein Freier.
    Pepa hatte sich mitten im Rotlichtbezirk von Leith absetzen lassen.
    Jetzt, nachdem er ein paar Stunden – wenn auch unruhig – geschlafen hatte, dachte Cedric: Eine gute Frau, hatte Pepa gesagt. Eine Freundin von ihr, ein anderes Au-pair, die dort untergebracht war. Leith war mittlerweile sehr im Trend. All die neuen Lofts am Ocean Terminal kosteten ein Vermögen. Es gab ein Bürgerbegehren gegen den Straßenstrich, und wenn er sich richtig an die Schlagzeilen der vergangenen Monate im  Scotsman  erinnerte, war Leith mittlerweile eine respektable Mittelklassegegend. Abseits der Durchgangsstraße sah es bestimmt gut aus.
    Cedric stand auf und sah auf die Uhr: erst ein Uhr mittags. Lange hatte er nicht geschlafen, aber er fühlte sich besser. Der Nebel war verschwunden, und im benachbarten Leuchars starteten schon wieder in kurzen Abständen die Flieger der Royal Air Force. Er hörte sie, als er ein Fenster öffnete.
    Cedric dachte an Doug, beschloss sogleich, nicht an Doug zu denken, dachte dafür an den Zettel, den Pepa ihm gegeben hatte, und schaltete seinen Laptop an, um die Adresse im Internet zu suchen.
    »Dein Vater«, hatte sie gesagt.
    Es war die Adresse einer Au-pair-Vermittlungsagentur. Natürlich, das hatte sie gemeint: Sein Vater sollte sich dorthin wenden, wenn er ein neues Au-pair-Mädchen suchte. Ganz sicher würde das nicht passieren, dafür würde Cedric schon sorgen. Oder meinte sie, sein Vater sollte dort Bescheid geben, dass sie nicht mehr da war? Nein, das war unsinnig, sie wollte ja nicht, dass jemand wusste, wo sie war.
    Hatte sie Cedric etwas mitteilen wollen? »Dein Vater hat diese Agentur beauftragt. Falls mir doch etwas passiert, gib ihnen Bescheid.«
    Nein. Irgendwie passte das nicht.
    Sein erster Gedanke war sicher richtig gewesen. Er schaltete den Computer wieder aus. Ein neues Au-pair kam nicht in Frage. Er war froh, Pepa los zu sein.
    Irgendetwas drängte sich in seine Wahrnehmung, ein ungewohnter Lärm. Es war das Geschrei von Möwen, das sich zu dem Dröhnen der Jagdflieger gesellt hatte. Es kam ihm ungewöhnlich nah vor und ungewöhnlich laut. Er trat an sein Fenster, um nach draußen zu sehen.
    Cedric begann zu schreien und hörte erst auf, als er keine Luft mehr bekam. Es sah aus, als hätte Doug sich gerächt. Cedrics Auto war mit Abfällen überhäuft, um die sich jetzt die Möwen stritten. Sie landeten auf seinem Mercedes, um sich ihren Teil der Beute zu sichern, zankten sich darum, koteten den frischgewaschenen Wagen voll. Alle Türen des Wagens waren geöffnet, sodass auch einige der Vögel auf die Polster gesprungen waren und dort herumpickten, Federn verloren, Krankheiten verbreiteten. Wo hatte Doug den Schlüssel hergehabt?
    Cedric rannte in sein Badezimmer, denn er spürte, wie sich sein Magen hob. Die Tür war abgeschlossen. Cedric rannte zum anderen Badezimmer, doch auch das war verschlossen. Er hastete die Treppe hinunter, wollte die Küchentür aufstoßen, die konnte man nicht abschließen, dafür gab es keinen

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