Wenn es daemmert
entlassen, auf eigene Verantwortung, haben die Ärzte gesagt. Dabei wollte ich nach ihr sehen, sie hätte doch sicher Kleidung gebraucht und eine Zahnbürste und Seife und so. Ich hätte ihr gerne geholfen. Sie ist doch eine Freundin von dir?«
»Eine Bekannte«, antwortete Isobel vorsichtig. »Und welcher Junge?« Ihre Mutter hatte die unausrottbare Angewohnheit, jeden, der nicht deutlich älter als Isobel war, als Junge oder Mädchen zu bezeichnen.
»Der hübsche Junge, der ein bisschen krank aussieht, so als müsste er mal dringend an die frische Luft.«
Cedric Darney, sie hatte es sich schon gedacht. »Was war mit ihm?«
»Er kam dort vorbei, sah das Haus und fing an zu schreien. Ich hab ihn erst mal verarztet. Dann wollte er ins Krankenhaus, um deine Freundin zu besuchen. Und als ich endlich Zeit hatte, war sie weg.«
Isobel nickte, obwohl sie immer noch nicht verstand. »Wie ist das mit dem Feuer passiert? Hat sie den Herd angelassen?«
Róisín schüttelte energisch den Kopf. »So früh morgens, und das arme Ding war noch im Pyjama. Sie war gerade erst wach geworden. Das war Brandstiftung.«
»Brandstiftung!«, wiederholte Isobel und konnte langsam ein paar Puzzleteile dessen, was Mina und Cedric eben am Telefon gesagt hatten, zusammenfügen. »Woher weißt du das, haben das meine Kollegen gesagt?«
Róisín schüttelte den Kopf. »Deine Kollegen! Dieser Fernsehpolizist war da und hat mir Fragen gestellt.«
»Brady?«
»Genau der. Er wollte wissen, wie lange es gedauert hat, bis das Mädchen aus dem Fenster gesprungen ist. Sie ist aus dem Fenster gesprungen! Hat versucht, sich mit Bettlaken abzuseilen, aber das ging nicht gut. Zum Glück ist nichts passiert«, fügte sie hinzu, als sie Isobels erschrockenes Gesicht sah. »Sie war wegen der Aufregung im Krankenhaus, und wahrscheinlich, weil sie Rauch eingeatmet hat. Sonst hätte sie doch nicht so schnell wieder gehen können.«
Isobel konnte sich vorstellen, dass Mina Williams auch mit gebrochenen Rippen das Krankenhaus verließ, wenn sie es unbedingt wollte, aber sie sagte nichts.
»Was hat Brady noch gesagt?«
»Ach, er wollte das ganz genau wissen. Wann ist was passiert, wie lange hat das Mädchen im Zimmer gewartet, bis sie rausgekommen ist. Das habe ich ihm auch alles gesagt, ich weiß ja, wie wichtig solche Fragen sind, auch wenn ich nicht ganz verstanden habe, was er wollte. Aber als ich ihm von den beiden Männern erzählt hab und dem Auto, da hat er sein Notizbuch zugemacht und gesagt, danke, hat er gesagt, ich habe schon einen Eindruck von der Situation.«
»Welche Männer? Welches Auto?«
»Ich war doch gestern Morgen schon früher da. Die Bierlieferung sollte kommen. Aber dann haben sie angerufen und gesagt, sie schaffen es nicht so früh, sie kommen gegen zehn. Ich wollte wieder nach Hause und bin ans Fenster gegangen, um zu sehen, ob es immer noch so stark regnet und ich einen Schirm brauche. Und da hab ich gesehen, wie zwei Männer aus dem Haus gekommen sind. Sie haben sich in ein Auto gesetzt und sind weggefahren. Ich hab mir nichts dabei gedacht, ich hab mir meinen Schirm geholt und bin raus zu meinem Auto. Ich wollte gerade einsteigen, da hab ich sie gehört. Sie schrie, dass ihr Haus brennt. Ich hab gleich die Feuerwehr gerufen und einen Krankenwagen und Polizei natürlich auch.« Róisín nickte nachdrücklich und sah Isobel abwartend an.
»Und das hast du Brady auch so erzählt?«
»Natürlich.«
»Du hast ihm die Männer und das Auto beschrieben?«
»Nein! Das wollte er gar nicht hören!«
»Da hast du ihn falsch verstanden«, sagte Isobel. Allzu sicher, dass sie damit Recht hatte, war sie sich allerdings nicht. Ihre Mutter verstand fast nie etwas falsch. Isobel ließ sich die Männer und das Auto beschreiben. Es war ein silberner Golf. Sie trank noch einen Kaffee mit ihrer Mutter, ließ sich zum Abschied drücken und fuhr dann zurück ins Büro.
»Leslie«, rief sie, und er kam sofort angerannt. »Was weißt du über den Brand in der St. Mary Street?«
Leslie zuckte die Schultern. »Nicht viel. Nur, dass die verrückte Schriftstellerin ihr Haus angezündet hat, weil sie sich umbringen wollte, und dann hat sie es sich wohl anders überlegt.«
Isobel spürte förmlich, wie sie innerlich zu beben begann. »Wer sagt das?« Sie kannte die Antwort: Brady, wer sonst.
»Brady, wer sonst«, antwortete Leslie.
»Meine Mutter war Zeugin«, sagte sie.
»Ja, ich weiß, und Brady hat gesagt, dass du deshalb mit der Sache
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