Wenn es daemmert
mit wachsender Beunruhigung zu, wie sie den Hörer sanft und vorsichtig auflegte, als dürfe sie nie wieder ein Geräusch auf dieser Welt verursachen. Sie stützte ihr Gesicht in ihre Hände und atmete langsam und tief. Cedric stand vor ihr, die Hände in den Hosentaschen, und wartete. Er bekam Angst, ohne zu wissen, warum.
Endlich suchte sie seinen Blick. Sie sah ihn lange an, bevor sie sprach.
»James hat den Mann erkannt.«
»Das ist großartig! Wir gehen gleich zur Polizei, auf ein anderes Revier. Es können ja nicht alle korrupt sein. Wir wissen es nur von Brady, und das werden wir Ihnen erklären. Sie werden sich um alles kümmern. Du sagst deinem Anwalt Bescheid, und wir …«
»Er kennt seinen Namen nicht. Er hat gesagt, er hat seinen Namen geändert, aber er weiß, wie er früher einmal hieß und wo er gewohnt hat.«
»Das ist doch ein Ansatzpunkt! Die Polizei wird herausfinden, wie er heute heißt und wo er …«
Das Telefon klingelte. Mina riss sofort den Hörer hoch. Ihre Augen weiteten sich. »Das muss ein Missverständnis sein«, sagte sie energisch. »Sind Sie sicher?« Und dann, viel weicher: »Natürlich. In einer halben Stunde, ja.«
Sie legte auf. »Das Hotel. Deine Kreditkarte ist gesperrt.«
»Unmöglich! Das kann nicht sein«, rief Cedric.
»Doch. Ruf deine Bank an.« Sie hielt ihm das Telefon hin, aber er tippte schon die Nummer ins Handy.
Ein Mitarbeiter der Bank bestätigte es: Alle seine Konten waren eingefroren.
»Wir sitzen auf der Straße«, sagte er. »Ich habe keinen Penny Bargeld dabei, und ich kann mit keiner Karte mehr irgendetwas bezahlen. Du hast keine Karten und keinen Ausweis, um Geld von deiner Bank zu holen. Was machen wir?«
Sie zuckte die Schultern. »Meinen Anwalt bitten, sich darum zu kümmern, in der Zwischenzeit meinen Onkel anpumpen und, wenn der sich ziert, dein Auto verkaufen.« Sie klang entsetzlich pragmatisch. »Im Notfall die Pfandleihe. Wir haben genug, was wir versetzen können. Deine Uhr sieht teuer aus. Ist das eine IWC ? Von dem, was wir dafür kriegen, können wir sicher ein paar Nächte in einem Hotel unterkommen.«
Er sah Mina an und suchte verzweifelt nach etwas in ihrem Gesicht, das ihm erklären könnte, was gerade passierte. Er fand nichts. »Mein Vater hat das veranlasst, er hat Kontenvollmacht«, sagte er leise.
»Familie«, erwiderte Mina, als sei es das Normalste der Welt. Sie schraubte ihr unvermeidliches braunes Fläschchen auf und nahm eine Tablette. Er überlegte kurz, die wievielte es für heute wohl war.
»Verwandte sind ein Fluch«, sagte Cedric.
»Besonders, wenn sie einen umbringen wollen.« Cedric sah Mina verwirrt an, und sie fuhr fort: »Der Mann, also der Mann, ist ein Cousin meiner Mutter.«
Buch III
»I swear to God I will never set eyes on him again. I bind my honour to you that I am done with him in this world. It is all at an end.«
»Ich schwöre zu Gott, ich werde ihn nie wiedersehen. Ich gebe dir mein Ehrenwort, dass ich in diesem Leben nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Es ist vorbei.«
Dr Jekyll in »The Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde«
Kirkcaldy, Januar 1950
Sie saß am Fenster, eine Hand auf ihrem Bauch. Sie spürte nichts. Nichts. Das Ding war ruhig. Bald würde es rausmüssen.
Sie saß am Fenster und starrte in die Dunkelheit, sah Lichter auf der anderen Seite des Wassers, die Lichter der großen Stadt mit der alten, schönen Burg auf dem Vulkanfelsen, die sie auch gesehen hatte, als sie in der großen Stadt waren. Auf der anderen Seite des Wassers.
Es wurde hier viel früher dunkel und viel später hell.
Das Ding war immer noch ruhig.
Sie starrte weiter in die Dunkelheit und dachte, wie es sein würde, wenn dieses Ding tot wäre. Dann wäre Berlin nicht so weit.
Sie versuchte, den Namen der großen Stadt so auszusprechen, wie Albert es tat. Dann versuchte sie, den Namen der Stadt auszusprechen, in der sie jetzt lebte. Die Laute ergaben in ihren Ohren keinen Sinn. Die Menschen sprachen hier anders als Albert, und doch verstand er sie. Nur sie verstand nichts. Sie versuchte wieder, den Namen der Stadt auszusprechen. Ihr Atem legte sich auf die kalte Fensterscheibe. Sie malte ein Herz hinein. Dann wischte sie es schnell wieder weg.
Albert kam nach Hause. Er rief nach ihr, doch sie antwortete nicht. Sie antwortete nie. Er würde hereinkommen und nach ihr sehen, dann würde er mit ihr essen, obwohl sie nichts essen wollte. Er würde sich nach dem Ding erkundigen, und er würde
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