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Wenn es daemmert

Wenn es daemmert

Titel: Wenn es daemmert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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Harriet, kein Mensch sagt Mrs Docherty zu mir!«
    »Harriet«, wiederholte Mina. »Er ist gar nicht Ihr Sohn? Man sagte mir, mein Großvater Roland hätte noch einen Bruder gehabt, und dessen Sohn, Arthur Docherty …«
    »Nein, nein, das ist falsch«, sagte Harriet. »Mein Albert war schon einmal verheiratet. Arthur ist das Kind seiner Frau aus der ersten Ehe. Ihr Großvater, Roland, hat immer behauptet, es sei die größte Schande, eine Bürgerliche zu   heiraten.   Spaß haben durfte man offenbar mit ihr, aber beim Heiraten hörte es auf. Ich sagte ja bereits, es sind keine guten Geschichten über Ihren Großvater«, fügte sie entschuldigend hinzu.
    »Dann reden wir besser nicht mehr von ihm. Wissen Sie, wo Arthur nun lebt? Ich habe gehört, er hätte seinen Namen geändert. Wie heißt er jetzt?«
    »Was hat er Ihnen getan?«, wollte Harriet Docherty wissen. Sie stützte sich auf die Armlehnen ihres Rollstuhls, veränderte ein wenig ihre Position und beugte sich dann vor, um sich von den Plätzchen zu nehmen.
    Mina hatte sich zusammen mit Cedric eine Antwort auf diese Frage zurechtgelegt. Mehrere mögliche Antworten sogar. Aber nun, als sie Harriet Docherty gegenübersaß, konnte sie sie nicht mehr anlügen. Die Wahrheit zu sagen, war aber auch keine Option. Also schwieg Mina.
    »Arthur ist ein sehr schlechter Mensch«, sagte Harriet, als keine Antwort kam. »Vielleicht sagen Sie mir besser nicht, was er getan hat. Ich will es nicht wissen. Ich habe ihn zuletzt vor acht Jahren gesehen, als ich meinen Mann beerdigt habe. Damals saß ich noch nicht im Rollstuhl. Er weiß es gar nicht.«
    »Er wohnt nicht mehr in Ihrer Gegend?«, fragte Mina vorsichtig.
    »Oh, er wohnt ganz bestimmt hier irgendwo. Er hat wohl mehr als eine Wohnung. Ich glaube, in Edinburgh und in Aberdeen, aber ich weiß es nicht, wirklich nicht. Ich weiß auch nicht, wie er sich jetzt nennt. Dass er seinen Namen geändert hat, ist mir neu.« Sie sah nachdenklich auf ihr Plätzchen. »Sind Sie sicher?«
    »Nein. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir weiterhelfen. Weiß Arthur eigentlich von seiner Verwandtschaft mit meinem Großvater?«
    Harriet Docherty schüttelte den Kopf. »Nicht von mir, und sicher auch nicht von meinem Mann. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Alfred hat meinen Namen angenommen und vollständig mit den Barringtons gebrochen. Er hat nie in Arthurs Gegenwart über seinen Bruder Roland oder sonst jemanden aus der Familie gesprochen. Und ich erzähle Ihnen das alles auch nur deshalb, weil Sie mich danach gefragt haben.«
    »Was macht Arthur beruflich?« Es war das Erste, was Cedric sagte, und er schien selbst ganz erschrocken darüber zu sein.
    »Beruflich? Oh, Arthur hat keinen Beruf, wissen Sie … Nicht wie mein Mann oder ich. Er war Arzt, und ich war Lehrerin hier in Kirkcaldy. So haben wir uns auch kennengelernt. Er war auf der Suche nach der richtigen Schule für Arthur.« Sie schwieg einen Moment, und Mina wagte nicht, die Stille zu unterbrechen, denn Harriet schien die Erinnerung wichtig zu sein. »Aber Albert hatte für staatliche Schulen nichts übrig, das habe ich gleich gesehen. Er wollte, dass Arthur die besten Möglichkeiten im Leben hatte.«
    »Deshalb hat er ihn nach Harrow geschickt«, sagte Cedric.
    »Ach, das wissen Sie?«, fragte Harriet überrascht.
    »Er trägt heute noch gerne die Krawatte«, erklärte Mina, ohne weiter ins Detail zu gehen.
    »Das glaube ich. Er war immer entsetzlich stolz darauf, ein Harrovian zu sein. Prügelte sich später an der Universität bei jeder Gelegenheit mit den Jugendlichen aus der Stadt.«
    »Wo hat er studiert?«
    »Christ Church, Oxford. Er hatte alle Möglichkeiten«, erklärte sie noch einmal, »aber er hat keinen Abschluss gemacht. Wie gesagt, er prügelte sich sehr gerne. Sie haben ihn des Colleges verwiesen. Drogen seien auch im Spiel gewesen, sagte man uns. Aber aus Arthur war damals kein Wort herauszubringen. Ein wütender junger Mann! Er sah seinem Vater zum Verwechseln ähnlich.« Wieder schwieg sie nachdenklich, dann klatschte sie in die Hände und lächelte wieder. »Das Letzte, was ich von ihm weiß, ist, dass er Nachtclubs besaß. In Glenrothes, Perth, Stirling, Dundee, Aberdeen, bis rauf nach Inverness. ›Der ganze Nordosten tanzt auf sein Kommando‹, hat mein Mann immer gesagt. Fragen Sie mich nicht, wie viele Clubs es waren. Hat man damals nicht noch ›Diskothek‹ dazu gesagt? Nun. Vielleicht besitzt er heute hundert, vielleicht keinen einzigen

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