Wenn es Nacht wird in Manhattan
war am Boden zerstört. Er schaute zu Ben hinüber, der jedes Wort mitbekommen hatte und ziemlich fertig aussah. “Du Mistkerl”, sagte Joel mit zusammengepressten Zähnen, während er zu dem jungen Mann hinüberging und ihn am Kragen packte. “Sie hat ihr Baby verloren, weil du sie zu einem Stunt gezwungen hast, den sie überhaupt nicht hätte machen müssen.”
“Sie hat es freiwillig gemacht”, log Ben. “Ich habe sie nicht gezwungen. Sie hat sich überhaupt keine Gedanken um das Baby gemacht.”
“Das kannst du deiner Großmutter erzählen.”
Verängstigt sah Ben seinen Arbeitgeber an. Dessen Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er auf verlorenem Posten stand. Um seine Situation nicht noch schlimmer zu machen, nahm er die Beine in die Hand und rannte davon. Keiner von ihnen bemerkte den Mann, der in der Nähe stand, jedes Wort notierte und schließlich ein Handy aus der Tasche zog und eine Nummer wählte. Der Reporter eines Klatschmagazins war einem verwundeten Gefangenen, der entkommen war, bis in die Notaufnahme gefolgt, weil er sich Hoffnungen auf eine Sensationsstory gemacht hatte. Doch jetzt war er auf etwas Besseres gestoßen. Etwas viel Besseres.
“Verbind mich mit der Nachrichtenredaktion”, sagte er ins Telefon. “Harry? Schreib das mit: Tippy Moore, bekanntes Model und vielversprechende Schauspielerin, hat heute bei Dreharbeiten ihr Baby verloren …”
Die Klatschblätter wurden in jedem Laden im ganzen Land verkauft. Auch in Jacobsville, Texas. Cash Grier war zu Jensens Supermarkt gefahren. Er wollte ein paar Eier kaufen, um sich nach dem Dienst ein Omelett zu machen. Auf der Titelseite eines Revolverblatts prangte ein Foto von Tippy, auf dem sie einfach umwerfend aussah. Darüber stand in fetten roten Lettern “Model opfert Baby für Filmkarriere – Diese Frau denkt nur an sich!!!”
Wie vom Donner gerührt blieb Cash stehen. Tippy war schwanger gewesen, und das Kind stammte höchstwahrscheinlich von ihm. In dem Artikel stand, dass sie in der sechsten Woche gewesen war – die Zeit, die seit Weihnachten verstrichen war.
“Ist das nicht schrecklich?”, kommentierte eine ältere Frau, als sie bemerkte, wie gebannt er auf die Schlagzeile sah. “Vergangenes Jahr hat sie hier einen Film gedreht. Hübsche kleine Person. Wahrscheinlich bedeutet den Frauen von heute ein Heim und eine Familie nicht mehr allzu viel. Das arme Baby. Aber vielleicht ist es besser so. Sie wäre vermutlich eine Rabenmutter.”
Cash hörte ihr kaum zu. Kalkweiß im Gesicht bezahlte er die Eier und fuhr nach Hause. Er schaltete weder den Fernseher noch die Lampen ein. Er saß im Dunkeln, während er darüber nachdachte, dass die Geschichte sich tatsächlich immer wiederholte.
Obwohl Tippy das Krankenhaus bereits nach vierundzwanzig Stunden bedenkenlos wieder verlassen konnte, hatte sie die Fehlgeburt so sehr mitgenommen, dass an eine Fortsetzung ihrer Arbeit nicht zu denken war. Joel Harper verschob die Aufnahmen, bei denen sie einen wichtigen Part hatte, ans Ende der Dreharbeiten und engagierte für die anderen ein Stunt-Double. Und jeden Tag entschuldigte er sich aufs Neue für die Inkompetenz seines zweiten Regieassistenten. Er erstattete selbst Anzeige gegen den Mann und bedrängte Tippy, sich einen Anwalt zu nehmen und auf Schadenersatz zu klagen.
Aber Tippy hatte kein Interesse daran. Sie war untröstlich. Und sie war auch nicht fähig, Cash anzurufen, um ihm zu sagen, wie sehr sie dieser Verlust schmerzte. Wahrscheinlich hatte er es ohnehin schon längst aus den Klatschblättern erfahren. Vielleicht nahm er sogar an, sie hätte es mit Absicht getan. Er würde denken, dass sie sein Kind nicht gewollt hatte. Oder dass sie ihm eins auswischen wollte, weil er einfach gegangen war. Nichts davon stimmte. Sie hatte sich das Kind so sehr gewünscht.
Am Ende war Joel Harper so besorgt, dass er in Rorys Schule anrief und dem Kommandanten die Situation erklärte. Auf Joels Kosten flog Rory am Samstagmorgen nach Newark, wo ihn der Regisseur persönlich abholte.
“Wie geht es ihr?”, wollte Rory als Erstes wissen.
“Hast du die Zeitungen gelesen?”, fragte Joel zurück, während er den Jungen zu einer schwarzen Stretchlimousine führte, die auf dem Parkplatz wartete.
“Ja”, erwiderte Rory düster. “Besser gesagt, die anderen Jungs haben sie mir vorgelesen.”
Joel zog eine Grimasse. “Unter normalen Umständen hätte ich dich nicht gebeten zu kommen. Aber sie ist nicht mehr sie selbst.”
“Ich
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