Wenn es Nacht wird in Manhattan
versucht hatte, Cash zu erreichen und der ihm hatte sagen lassen, er wolle mit keinem Danbury sprechen. Nachdem Tippy das erfahren hatte, wurde sie noch depressiver.
Kurz nach Rorys Besuch hatte sich ihre Mutter bei ihr gemeldet. Nach ausgiebiger Lektüre der Klatschblätter hatte sie keine Zeit verloren. “Jetzt wirst du bald sehen, wozu ich fähig bin.” Ihre Stimme klang schleppend; offenbar hatte sie wieder Drogen genommen. Vermutlich kam sie nicht mehr von dem Zeug weg. “Ich werde meinen Sohn zurückholen, und wenn du dich weigerst, wirst du dich dumm und dämlich zahlen.”
“Ich habe zur Zeit keine Arbeit”, log Tippy. “Und ich habe auch kein Geld. Du musst dich gedulden, bis ich die Gewinnanteile von meinem ersten Film ausgezahlt bekomme.”
“Und wann wird das sein?”
“Ich weiß es nicht. Nächstes Jahr vielleicht.”
“Das ist schlecht. Ich brauche das Geld sofort. Hör mal zu, Mädchen, ich denke nicht daran, hier in Georgia zu verhungern, während du dich in Limousinen durch die Stadt fahren lässt und in Luxusrestaurants essen gehst. Ich hab weiß Gott was Besseres verdient nach alledem, was ich für dich getan habe – für dich und diesen kleinen Bastard.”
Tippy umklammerte den Hörer. “Du verdienst es wirklich, in der Hölle zu schmoren, du Hexe!”, rief sie aufgebracht. “Du hast überhaupt nichts für uns getan. Du hast nur deinem perversen Freund dabei geholfen, uns zu missbrauchen.”
Ihre Mutter lachte. “Ich hab euch nur geholfen, erwachsen zu werden”, sagte sie lallend. “Irgendwann hätte es dir bestimmt gefallen.”
“Irgendwann hätte ich euch bestimmt umgebracht”, erwiderte Tippy kalt. “Sam ist genauso ein Verlierer wie du.”
“Du hast Geld, und wir brauchen was. Du solltest uns besser etwas geben. Ich warne dich, Mädchen. Sonst passiert etwas Schreckliches.”
“Warum erzählst du den Klatschreportern nicht, wie dein Freund mich vergewaltigt hat, als ich zwölf war?”, fragte Tippy schroff. “Vielleicht erzähle ich ihnen das auch selber.”
Es entstand eine Pause, als müsste ihre Mutter durch einen Drogennebel nach einem klaren Gedanken tasten. “Du warst älter …”
“Das stimmt einfach nicht”, entgegnete Tippy mit erstickter Stimme.
“Ich will Geld”, lautete die barsche Antwort. “Warum soll ich arbeiten, wenn du in Geld schwimmst? Du schuldest mir was. Ich habe dir den Jungen gegeben.”
“Du hast ihn mir für fünfzigtausend Dollar verkauft”, schrie Tippy in den Hörer.
“Das war nur eine Anzahlung. Ich will mehr. Ich brauche Geld. Du weißt ja nicht, wie das ist”, jammerte sie mit unsicherer Stimme. “Ich muss es haben. Unbedingt. Du schickst mir besser etwas, oder ich sage Sam, er soll es sich von dir holen, egal wie. Sam kennt Leute in Manhattan. Er kann dir eine Menge Schwierigkeiten machen. Du wirst schon sehen.”
“Du mieses Stück”, fluchte Tippy. “Kannst du überhaupt noch in den Spiegel schauen?”
“Schick mir einen Scheck, oder …” Die Verbindung wurde unterbrochen.
Noch Tage später wurde Tippy wütend, wenn sie an diesen Anruf dachte. Wie muss es sein, Eltern zu haben, die einen lieben, gewollt haben und beschützen, fragte sie sich. Sicherlich gab es da draußen gutherzige Frauen. Sie wünschte sich so sehr, wenigstens einmal im Leben einer begegnet zu sein.
Jetzt wollte ihre Mutter noch mehr Geld, und sie hatte kaum für sich selbst genug. Sie hatte keine Arbeit, und sie würde erst wieder etwas verdienen, wenn sie mit den Dreharbeiten weitermachte. Bis dahin hatte sie weder genug, um das Schulgeld für Rory noch die Miete für ihre Wohnung zu bezahlen. Und essen musste sie ja auch noch.
Sie brach in hysterisches Gelächter aus. Sie würde verhungern, und Rory würde im Waisenhaus enden, während ihre Mutter den Klatschreportern erzählte, wie schlecht ihre undankbare Tochter sie behandelte.
Sie nahm eine Whiskyflasche aus dem Schrank und füllte ein Teeglas. Es war Wochenende. Na wenn schon … Sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Wenn sie schon alles verlor, dann konnte sie den Schmerz auf diese Weise vielleicht ein wenig lindern …
Anfang April kam der Frühling. Tippy hatte einige Teile ihres Schmucks verpfändet, um Rorys Schulgeld bis zum Sommer bezahlen zu können. Er kam mit dem Zug, um eine freie Woche mit ihr zu verbringen. Aber es war eine andere Tippy, die ihn am Bahnhof abholte.
Sie war ausgemergelt und zitterte. Lächelnd umarmte sie ihn, aber ihr Blick war leer,
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