Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
mit den Stoffen aus der Essnische holte und ihn in den vorderen Bereich warf, ertappte ich mich dabei, wie ich nachsah, ob der Karton in der hintersten Ecke noch da war. Ich konnte ihn im Dämmerlicht ausmachen, das von oben aus der Kabine kam; mit schwarzem Filzstift war darauf vermerkt: KÜCHENSACHEN .
Plötzlich verspürte ich den Drang nachzusehen, ob noch alles drin war. Natürlich, sagte ich mir. Natürlich war noch alles drin. Seit du den Karton dort hingestellt hast, war niemand mehr hier unten .
Gebückt lief ich über die drei Holzpaletten, die als Fußboden dienten, stützte mich am Bootsrumpf ab und hockte mich neben den Karton. KÜCHENSACHEN . Zwei Drittel davon war Krempel, den ich aus der Londoner Wohnung mitgebracht hatte – Pfannenwender, Holzkochlöffel, eine Teekanne von Denby mit einem Sprung im Deckel, ein Quirl, ein kaputter Mixer, eine Eiskelle und verschiedene ineinandergesteckte Keksdosen. Darunter befand sich eine Pappschicht, die bei flüchtiger Betrachtung aussah wie der Kartonboden und von weiteren Nachforschungen abhalten sollte.
Ich klappte den Deckel wieder zu und schob die andere Lasche darunter.
Dann zog ich mein Handy aus der hinteren Jeanstasche. Ich rief das Adressbuch auf, in dem nur einzige Nummer gespeichert war: GARLAND . Mehr stand da nicht. Dabei war das noch nicht mal sein Name. Es wäre ein Leichtes gewesen, auf die kleine grüne Taste zu drücken und ihn anzurufen. Doch was hätte ich ihm sagen sollen? Vielleicht konnte ich ihn einfach fragen, ob er heute Abend kommen wollte. »Dylan, komm zu meiner Party! Es werden nur ein paar enge Freunde da sein. Ich würde dich gerne sehen.«
Was würde er sagen? Er würde sauer und gleichzeitig bestürzt sein, dass ich das Telefon benutzt hatte, obwohl er mir das ausdrücklich untersagt hatte. Es diene ausschließlich dazu, dass er mich anrufen könne und auch nur dann, wenn er zur Abholung bereit sei – und keine Minute vorher. Würde mich jemand anders darauf anrufen, dürfe ich nicht drangehen.
Ich schloss kurz die Augen und dachte sehnsüchtig an ihn. Dann schaltete ich das Handy wieder aus, damit es nicht aus Versehen irgendeine Nummer wählen konnte und schon gar nicht seine, steckte es in meine Tasche und ging zurück in die Kabine.
2
Malcolm und Josie waren die Ersten und kamen um sechs. Sie hatten zum Plaudern vorbeigeschaut und blieben gleich da. Ich war an Deck und schüttete gerade die Eiswürfel, die ich im Supermarkt besorgt hatte, in eine große Plastikkiste, als Malcolm auf seinem Kanalboot das Klirren der Bier flaschen hörte. Sekunden später stand er mit drei Flaschen französischem Rotwein unterm Arm auf dem Ponton und unterhielt sich in aller Seelenruhe mit mir.
»Wir haben noch viel mehr, falls es knapp werden sollte, Genevieve«, sagte Josie, als sie an Bord kamen. »Wir waren letztes Wochenende in Frankreich und haben uns schon für Weihnachten eingedeckt.«
»Ich dachte, ihr trinkt keinen Wein«, sagte ich und reichte Malcolm den Flaschenöffner, mit dem er sein erstes Bier köpfte.
»Tun wir eigentlich auch nicht«, erwiderte Malcolm. »Ehr lich gesagt weiß ich auch nicht, warum wir so viel gekauft haben.«
Ich machte, so gut es ging, sauber. Es hätte besser sein kön nen, aber die gröbste Unordnung hatte ich beseitigt, und so schlimm sah die Kombüse nun auch wieder nicht aus. Maureen hatte mich zum Supermarkt mitgenommen, anschließend war ich mit dem Taxi und zwei Kisten Bier, mehreren Säcken Eiswürfel, riesigen Tüten Chips und einem dicken Stück Käse, den ich in diesem Moment für eine gute Idee gehalten hatte, nach Hause gefahren. In Sachen Partysnacks-Zubereitung war ich keine große Leuchte – doch zumindest gab es reichlich Alkohol.
Josie hatte Knoblauchbrot in Alufolie mitgebracht. »Ich dachte, das backen wir in deinem Ofen auf«, sagte sie.
»Ich wollte ihn eigentlich nicht anmachen. Bei den vielen Leuten wird es hier brütend heiß.«
Malcolm, der selbst ernannte Experte in diesem Raum, der mir in den vergangenen Monaten mehr als genug Ratschläge über das Leben auf einem Hausboot erteilt hatte, schnaubte. »Du frierst nachts, wenn du den Ofen nicht anmachst.«
Kurz starrten wir alle auf den Holzofen, der auf großen Ziegeln in einer Ecke der Hauptkabine stand. Noch war es nicht kalt, doch Malcolm lag nicht ganz falsch – es war nicht gerade schön, um vier Uhr morgens zitternd vor Kälte im Bett zu liegen.
»Ich mache ihn an, wenn du willst«, sagte Malcolm
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