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Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)

Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)

Titel: Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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irgendwann. Vermutlich spät.«
    Josie war wie ein warmes Kissen: bunt und flauschig. Auf der schmalen Bank hatten wir kaum Platz. Ihr langsam grau werdendes Haar versuchte sich mit Hilfe des Windes aus dem Pferdeschwanz, zu dem sie es gebunden hatte, zu befreien. Immerhin schien jetzt die Sonne, der frühe Abendhimmel über uns war blau, einzelne weiße Wolken schwebten dahin.
    »Wa,s glaubst du, werden sie von uns halten?«
    »Ich mache mir mehr Gedanken darüber, was ihr von ihnen halten werdet.«
    Ein paar Tage nachdem ich auf das Boot gezogen war, hatte ich meinen Kopf aus dem Steuerhaus gesteckt und war von Malcolm begrüßt worden. Er hatte in Boxershorts auf dem Dach der Scarisbrick Jean gesessen und eine Selbstgedrehte geraucht. Es war gerade erst hell geworden, und die Frühlingsluft war so kalt, dass Malcolms Atem in kleinen Wolken aus seinem Mund kam. Die Haare standen ihm an einer Seite vom Kopf a b
    »Alles klar?«, hatte er mir zugerufen.
    »Guten Morgen«, hatte ich gesagt und war gleich wieder runtergegangen, bis die Neugier dann doch wieder von mir Besitz ergriffen hatte. »Und, bei Ihnen da drüben auch alles klar?«
    »Ja«, hatte er gesagt und lange und tief an seiner Zigarette gezogen »Und bei Ihnen?« So als wäre es völlig normal, um fünf Uhr morgens in Unterwäsche auf einem Bootsdach zu sitzen. Damals hatte ich seinen Namen noch nicht gewusst. Ich hatte ihn natürlich immer kommen und gehen sehen, und wir hatten uns ein paar Mal zugenickt und gegrüßt, doch irgendwie fühlte es sich seltsam an, die Morgendämmerung mit einem Mann zu teilen, der bis auf diesen grauen Fetzen praktisch nackt war.
    »Ist Ihnen nicht kalt?«
    »Oh«, hatte er geantwortet, und langsam schien auch ihm zu dämmern, dass er halb nackt war. »Ja, verdammt kalt. Aber ich kann nicht reingehen, weil Josie gerade gekackt hat und das ganze Boot danach stinkt.«
    In den ersten Tagen als Bootsbesitzerin hatte sich das Leben im Jachthafen angefühlt, als wäre ich in einem fremden Land. Der Lebensrhythmus war deutlich langsamer. Ging jemand einkaufen, rief er einem zu, ob man was brauchte. Manchmal kam auch jemand unerwartet vorbei, setzte sich an Deck, redete drei Stunden über irgendwas und ging dann wieder, manchmal sogar ganz plötzlich, als wären ihm die Gesprächsthemen ausgegangen oder etwas Dringendes dazwischengekommen. Manchmal brachten die Leute auch etwas zu essen oder zu trinken mit. Sie halfen einem bei Reparaturen, auch wenn das zu Reparierende nicht unbe dingt repariert werden musste. Sie gaben einem Ratschläge, welche Chemikalien man benutzen sollte, damit die Toilette richtig funktionierte. Und sie lachten viel.
    Manche Boote gehörten Leuten, die nur am Wochenende und bei Regenwetter noch seltener zum Hafen kamen. Ein ziemlich heruntergekommenes englisches Kanalboot ge hörte einem Mann, der noch zerzauster aussah als Malcolm. Ich hatte ihn erst zwei Mal gesehen. Beim ersten Mal hatte ich ihm im Vorbeigehen ein fröhliches Hallo zugerufen, doch anstelle einer Antwort hatte er mich nur angestiert. Beim zweiten Mal war er mit einer schweren Einkaufstüte voller Flaschen über den Parkplatz gegangen.
    Und dann war da noch Carol-Anne. Sie wohnte in einem Kabinenkreuzer, der eigentlich nicht im Jachthafen vor Anker hätte liegen dürfen, doch sie kam trotzdem damit durch, weil sie schon immer dort gewohnt hatte. Sie war geschieden und hatte drei Kinder, die in Chatham bei ihrem Vater lebten. Sie grüßte meistens und versuchte einen dann in stundenlange Gespräche über die Widrigkeiten des Lebens zu verwickeln. Alle anderen Bootsbewohner bemühten sich, ihr nach wenigen Wochen aus dem Weg zu gehen, genau wie ich.
    Aber der Rest war wunderbar.
    Joanna war einmal mit einem vollen Teller zum Abendessen vorbeigekommen. »Hast du schon gegessen? Gut, wir haben zu viel gekocht.«
    Wir hatten uns zusammen in die Essnische gesetzt, Joanna hatte ein Bier aus meinem Kühlschrank getrunken, und zwar direkt aus der Flasche, während ich mich über den Shepherd’s Pie mit Erbsen hermachte.
    »Ich bin es nicht gewohnt, dass mir Leute Essen vorbeibringen«, hatte ich anschließend gesagt.
    Joanna hatte nur mit den Schultern gezuckt. »Das ist keine große Sache. Ich bin froh, dass ich es nicht wegwerfen muss.«
    »Die Leute hier sind sehr freundlich«, hatte ich gesagt und gleichzeitig gemerkt, wie maßlos untertrieben das war. Man hatte das Gefühl, eine einzige große Familie zu sein.
    »Ja, bei Bootsbesitzern ist

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