Wenn es plötzlich Liebe ist
Büro ihres Vaters und ging die Gästeliste für den kommenden Jahresball der Stiftung durch. Da summte leise die Sprechanlage. Grace fuhr so heftig zusammen, dass ihr der Stift aus der Hand fiel.
Die Stimme ihrer Assistentin klang schnarrend durch den Lautsprecher: »Mr. Lamont ist hier für Sie. Außerdem brauche ich eine Unterschrift.«
Großartig, dachte Grace. Das war das Letzte, noch eine Begegnung mit diesem Mann. Bei jedem Gespräch verschlechterte sich ihre Beziehung.
»Kommen Sie bitte zuerst.«
Grace zupfte an dem Hermès-Tuch um ihre Schultern. Sie lockerte den Knoten, doch es fühlte sich immer noch wie eine Schlinge an. Da nahm sie das Tuch ab. Die orangegelbe Seide bauschte sich auf dem Schreibtisch.
Wie leid sie es war, bei allem und jedem zusammenzuzucken. Ausgelöst wurde es durch alles Mögliche: wenn das Telefon klingelte, bei Schritten auf dem Flur, plötzlichen Geräuschen. Sie fühlte sich wie eine Marionette, an deren Fäden herumgezerrt wurde, worüber sie keinerlei Kontrolle hatte.
Es war eine schreckliche Situation. Grace stemmte die Arme gegen den Schreibtisch und dehnte ihre Muskeln.
Der Schreibtisch und der Stuhl waren der Kommandoposten
ihres Vaters gewesen. Es waren riesige, handgearbeitete Möbelstücke aus Mahagoni, die der imposanten Größe und Statur von Cornelius Woodward Hall angemessen waren. Grace hatte sie immer geliebt. Wenn er sie als Kind am Wochenende manchmal mit ins Büro nahm und sie auf seinem Schoß sitzen durfte, hatte sie sich unendlich sicher gefühlt, gehalten von seinen starken Armen und den massigen Möbelstücken.
Jetzt saß sie allein auf dem Sessel und fühlte sich sehr klein zwischen den dicken Armlehnen und der hohen Rückenlehne. Aber etwas anderes wollte sie auch nicht. Die Möbel hatten zu ihrem Vater gehört, genau wie die riesigen Landschaftsgemälde an den Wänden, der förmliche Konferenztisch, an dem die Besprechungen stattfanden, und die ledergebundenen Bücher in den Regalen.
Jedes Mal, wenn sie den Raum betrat, dachte sie an ihn.
Sie warf einen Blick auf seinen Pfeifenständer und eine Konfektschale, die immer noch seine geliebten Pfefferminzplätzchen enthielt. Daneben stand die Bronzebüste ihres Vaters. Sie war angefertigt worden, als er Mitte fünfzig war - ein gut aussehender Mann mit einem distanzierten Lächeln und scharfen Augen.
In letzter Zeit waren ihre Erinnerunen an ihn die einzigen Verbündeten bei ihrer Arbeit in der Stiftung.
Er war nach einem Herzinfarkt verstorben und hatte ihr testamentarisch fast eine Milliarde Dollar hinterlassen sowie den Titel eines Generalmanagers und der Präsidentin der Hall-Stiftung. Das Geld würde ihr gehören, sobald das Erbe rechtlich abgewickelt war. Doch die Übernahme der Titel erwies sich als problematischer. Die Stelle stand ihr aufgrund ihres Erbes zu, und sie hatte sich auch seit der Universität darauf vorbereitet, seitdem sie ihr erstes Praktikum
dort absolviert hatte. Leider hatte Cornelius seine Absichten in dieser Hinsicht nur auf dem Papier erklärt, und andere Mitarbeiter hatten abweichende Vorstellungen über die Nachfolge.
Grace war durchaus in der Lage, die Stiftung zu leiten. Sie kannte die Angestellten, den Auftrag, die Strategie für die Zukunft. Sie wusste, was zu tun war, um die geschäftlichen Angelegenheiten zu regeln und mit den Spitzen der Gesellschaft umzugehen, die Jahr für Jahr Millionen spendeten. Sie wusste auch, dass manche glaubten, sie wäre der Aufgabe nicht gewachsen - zu jung und unerfahren. Und dass ein Wechsel dringend geboten wäre.
Einige der älteren Mitarbeiter hatten sogar etwas dagegen, von einer Frau geleitet zu werden. Diese Kritik brachte sie besonders auf. Als wäre man nur in Hosen zur Macht befähigt.
Der Kern ihrer Gegner war eine kleine, aber enge Gruppe von Direktoren, angeführt von Charles Bainbridge, dem Aufsichtsratvorsitzenden, allesamt ältere Männer, die ihren Vater sehr respektiert hatten, aber nicht dulden wollten, auch über das Grab hinaus von ihm geleitet zu werden. Es waren Männer, die Grace hatten aufwachsen sehen, wenn sie zu den Weihnachtsfeiern und Partys zum 4. Juli zu den Halls gekommen waren. Einige von ihnen hatten sie vermutlich schon in den Windeln erlebt und erinnerten sich an ihre Zahnspange.
Grace verstand, dass sie es schwierig fanden, in ihr etwas anderes zu sehen als eine junge schöne Frau, doch sie war entschlossen, sie zu überzeugen. Sie hoffte bloß auf genügend Zeit, ehe man sie auf
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