Wenn es plötzlich Liebe ist
erneut die Menge überflogen, rechnete er mit keinerlei Problemen. Seine Männer hatte sich unter die Gäste gemischt. Er kannte sie alle gut und traute ihnen. Alle waren handverlesene ehemalige Kollegen
aus der Militärelite. Blackwatch war seines Wissens der einzige Ort, wo ehemalige Ranger, Marines und Soldaten ohne Gerangel zusammenarbeiten konnten. Falls sich heute Nacht irgendetwas ereignete, würden sie vereint ihr Bestes geben, um den Botschafter zu schützen.
Smith machte sich keinerlei Sorgen, weil er wusste, was sonst niemand wusste. Der Mann, der es auf den Botschafter abgesehen hatte, war vor fünf Stunden auf einem verlassenen Posten in seinem Heimatland ermordet worden. Smith hatte den Tipp von einem alten Freund erhalten, und diese Quelle machte ihn sicher, dass die Information stimmte. Es bedeutete nicht, dass der Botschafter nun in Sicherheit war, denn Auftragskiller ließen sich leicht ersetzen, doch für diesen Abend standen die Chancen ziemlich gut, dass nichts passieren würde.
Trotz des geringeren Risikos war Smith jedoch genauso aufmerksam wie sonst. Er wusste, wo sich jeder in dem Ballsaal befand, welchen Weg sie nahmen, wenn sie den Raum betraten und wieder verließen. Kein Geheimdienst der Welt übertraf die Präzision seiner Lageübersicht oder die Schnelligkeit, mit der er Informationen verarbeitete.
Seine Beobachtungsgabe war angeboren und ebenso unveränderbar wie die Farbe seiner Augen.
Plötzlich spürte Smith, wie sich ihm jemand von hinten näherte. Als er sich umdrehte, blickte er in das besorgte Gesicht von Alfred Alston, dem Gastgeber des Balls. Der Mann war ein typischer Gesellschaftslöwe, mit einem Schopf schon früh ergrauter Haare und einer dickrandigen Hornbrille. Smith mochte ihn gut leiden. Es war leicht, mit ihm umzugehen.
»Es tut mir schrecklich leid, Sie zu stören, aber haben Sie vielleicht meine Frau gesehen?«
Seine Stimme verriet einen leichten englischen Akzent, zweifelsohne ein Überbleibsel von damals, als seine Familie den Atlantik überquert hatte. Im Jahr 1630.
Smith schüttelte den Kopf.
»Sie hätte schon vor einiger Zeit hier sein sollen, denn sie würde nur sehr ungerne die Ankunft des Botschafters versäumen.« Alston befingerte seine Fliege mit dünnen Fingern. »Ich bin allerdings sicher, dass sie bald hier sein wird.«
Doch die Anspannung um die Augen des Mannes herum verriet mehr, als seine Worte es taten.
»Möchten Sie, dass ich einen meiner Männer zu Ihrem Haus schicke?« Alston war immer ein guter Arbeitgeber gewesen, daher machte Smith sich gerne diese Mühe. Es würde außerdem nicht lange dauern. Seine Jungs fädelten sich immer so geschickt durch den New Yorker Verkehr, dass die normalen Taxifahrer dagegen wie Laien wirkten.
Alston reagierte mit einem besorgten Lächeln. »Danke, das ist sehr nett von Ihnen, aber ich möchte keine Umstände machen.«
»Lassen Sie mich wissen, falls Sie es sich anders überlegen. Der Botschafter wird übrigens pünktlich erscheinen.«
»Ich bin froh, dass Sie hier sind. Curt Thorndyke hatte Recht. Sie vermögen es wirklich, Menschen zu beruhigen.«
Smiths Blick schweifte wieder durch den Raum. Der Botschafter würde in etwa zwanzig Minuten eintreffen. Dann folgten der normale Fototermin, die Verbeugungen und die Knickse, dann das Dinner …
Smiths Blick verharrte bei etwas.
Besser gesagt bei jemandem.
Er starrte über die Köpfe hinweg auf eine blonde Frau,
die gerade erst eingetreten war. Sie trug ein glänzendes silbriges Ballkleid und wirkte beinahe künstlich, wie sie strahlend in dem verschnörkelten Türbogen zum Ballsaal dastand. Smith erkannte sie sofort. Aber wer würde das nicht?
Es war die Gräfin von Sharone.
Die Unterhaltung im Ballsaal senkte sich zum Flüsterton, als die Anwesenden sie nach und nach bemerkten. Der gesellschaftliche Rang dieses Balles, ohnehin sehr hoch, erreichte mit ihrer Ankunft schwindelnde Höhen. Man schmeckte geradezu die Bewunderung der Menge.
Wenn diese Salonlöwen nicht alle einen Drink in der Hand gehabt hätten, wäre Applaus ausgebrochen, dachte Smith. Als wäre sie der Ehrengast und nicht der Botschafter.
Doch er musste zugeben, dass sie toll aussah. Sie hatte die blonden Haare zu einer Aufsteckfrisur hoch aufgetürmt - eine klassische Schönheit mit feinen Zügen und strahlend grünen Augen. Und erst das Kleid … es schmiegte sich eng an ihren Körper und umfloss sie wie Wasser, als sie die ersten Schritte in den Saal hinab tat.
Jesus, wie
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