Wenn es plötzlich Liebe ist
seinen gut geschnittenen Zügen spiegelte sich bloß Gleichgültigkeit. Mit den in den Jacketttaschen vergrabenen Händen wirkte er wie auf einem Spaziergang.
Da summte Smiths Handy. »Yeah?«
Marks’ erschöpfte raue Stumme klang noch schlimmer als zuvor. »Ich habe hier ein paar Einzelheiten, wenn du willst.«
»Schieß los.«
»Das Opfer wurde in der eigenen Diele aufgefunden, wie die Erste. Die Kehle war aufgerissen wie von einem Metzger. Es gibt Anzeichen für einen Kampf, aber die Tür ist nicht aufgebrochen worden.«
»Und beide Frauen lebten in Luxusapartments, nicht wahr? Mit Portier, Sicherheitsschlössern, Empfang mit Registrierung.«
»Genau.«
»Wie ist er dann hereingekommen?«
»Darauf weiß ich noch keine Antwort. Die Jungs haben alle öffentlichen Bereiche überprüft und die Fenster und Türen im Erdgeschoss.Weder aufgebrochene Schlösser noch eingeschlagene Scheiben.«
»Und das Besucherregister?«
»Überprüfen wir gerade.«
»Und das Schlimmste ist?«
»Wie meinst du das?«
»Irgendwas ist immer das Fürchterlichste.«
»Okay, eins ist seltsam. Bei dem ersten Fall haben wir das nicht groß beachtet, aber diesmal ist es mir aufgefallen. Die Kleider der Opfer. Sie sind zerrissen, zerfetzt und blutig, aber alle sorgfältig um die Leiche drapiert. Als hätte er sie wieder hergerichtet, ehe er ging.«
»Du meinst, der Metzger ist sehr ordentlich?«
»Yeah. Erst bringt er sie um. Und dann richtet er sie wieder her. Das Opfer von gestern Abend lag auf einem teuren Teppich. Überall Blut, Bilder schräg an der Wand, gegen die er sie vermutlich geschleudert hat. Aber ihr Kostüm war bis oben zugeknöpft. Der Kragen war ordentlich heruntergeklappt, der Rock glattgezogen. Ein Schuh war abgefallen - das wissen wir, denn wir haben Blut darin gefunden -, aber er hat ihn ihr wieder angezogen.«
»Ein obsessiv-zwanghafter Freddie Krüger?«
»Ja, genau.«
»Habt ihr Abdrücke?«
»Nein, der Junge trug Handschuhe. Wir haben Blutspuren, aber überwiegend vom Opfer. Wir haben einen Teil-Fußabdruck, aber er ist von einem gottverdammten Nike-Trainer.Wer trägt solche Schuhe nicht?«
»Welche Größe?«
»Zehn. Männerschuh. Vermutlich durchschnittlich groß. Wir suchen nach Haut und Haaren unter ihren Fingernägeln.« Marks hustete. »Hey, warum willst du das eigentlich alles wissen?«
Smith gab einen gleichgültigen Laut von sich.
»Na«, meinte Marks, »du wirst wieder von mir hören. Der Junge kommt erst allmählich in Fahrt.«
»Wer ist in dem Artikel die Nächste?«
»Isadora Cunis. Der Papa ist Industrieller, sie ist mit einem Top-Börsenmakler verheiratet. Ich habe heute Morgen mit ihr geredet, wie auch mit allen anderen. Habe sie gebeten, die Stadt zu verlassen. Ich glaube, sie folgt meinem Ratschlag.«
»Ruf mich an, wenn es etwas Neues gibt.«
»Kannst du Gift drauf nehmen.«
Smith schaltete das Handy ab und klickte die Website zu.
Unruhig betrachtete er sein Zimmer. Das Hotel, in dem er gerade wohnte, befand sich im Theaterviertel von New York. Es war sauber und ruhig, und mehr brauchte er nicht, um dem Kasten fünf Sterne zu verleihen.
Dann stand er auf und trat zum Fenster. Er konnte es einen Spalt weit öffnen. Draußen hörte er die Stadt: Autos hupten, Taxis fuhren rasch vobei, obwohl es schon spät war. Er war aus LA hergekommen, um Drohungen zu untersuchen, die der Vorstandsvorsitzende einer multinationalen Gesellschaft erhalten hatte. Smith und der sechzigjährige Industrielle hatten sich zum Essen in dessen Luxussuite im Plaza getroffen. Nach einer Stunde Unterhaltung hatte Smith den Job abgelehnt, obwohl ihm für zwei Monate Arbeit eine siebenstellige Summe geboten worden war.
Es war leicht gewesen, das abzulehnen.
Mr. Top-Business hatte weiterhin behauptet, er würde von Öko-Terroristen bedroht.Vor Kurzem hatte er zweitausend Hektar Regenwald in Brasilien abgeholzt, um eine Fabrikanlage zu errichten. Die Baumfreunde, wie der Mann sie nannte, waren erzürnt gewesen.
Aber Smith erkannte, dass es eine Lüge war, denn er hatte vorher sämtliche Informationen unter die Lupe genommen. Der Manager lebte zwei Leben. Eins war makellos - eine Ikone des amerikanischen Traums. Ein Milliardär, der sich aus ärmsten Verhältnissen hochgearbeitet hatte und eine bildschöne schwangere zweite Ehefrau hatte, die nur halb so alt war wie er. Die andere Seite bedeutete Waffenschmuggel, und zwar nicht von der harmlosen Sorte. Es stellte sich heraus, dass die Schiffe des
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