Wenn es plötzlich Liebe ist
etwas fallen zu lassen.
Grace schaltete das Licht aus und ging zu Bett. Ihr letzter Gedanke galt der Wut in Johns Gesicht, als er sich abgewandt hatte.
Sie würde ihm ein wenig Zeit geben, sich abzuregen, und dann mit ihm reden.
Als Smith die Tür zu seinem Zimmer hinter sich schloss, fühlte er sich wie ein Idiot.Wie ein außergewöhnlich großer Idiot.
Das Bild von ihr in ihrer Seidenrobe verfolgte ihn. Und was sie ihm verweigert hatte.
Dass Walker und sie in genau diesem Moment zusammen waren …
Er konnte kaum die richtigen Worte finden.
Verdammt!
Und er hatte schon gedacht, das Dinner wäre eine Qual gewesen. In einem Zimmer eingesperrt zu sein, wo er nur durch einen Gang von ihrem Bett getrennt war - das war unerträglich.
Er legte mit ruckartigen Bewegungen seine Waffe ab. In dieser Stimmung sollte er keinen Revolver tragen.
Was er brauchte, war frische Luft.
Er ging durch eine Tür am Ende der Halle auf die Veranda. Hier hatte er einen wunderbaren Blick aufs Meer. Er lauschte den Wellen, sog die feuchte, warme Luft ein und atmete tief ein paar Mal ein und aus. Dann versuchte er, sich vor Augen zu führen, was ihn schon einmal so um den Verstand gebracht hatte.
Es war schon eine Weile her.
In der letzten Zeit hatte er sehr erfolgreich gearbeitet. Bis er Grace kennen lernte. Wie aus einer kleinen frivolen Laune des Schicksals heraus hatte er nun eine Menge Empfindungen, aber keinerlei Beherrschung. Er war frustriert. Scharf wie ein Hund.Voller Aggression.
Smith stützte sich auf das Geländer und beugte sich vor. Er starrte in den dunklen, sternenübersäten Himmel, als suchte er dort eine Antwort. Das überraschte ihn. Eigentlich war er kein nachdenklicher Typ. Und die Sehnsucht, die er empfand, war für ihn ebenso untypisch wie der Schmerz in der Brust.
Als er sich von den schweigenden Gestirnen abwandte, betrachtete er das Haus. Da merkte er, dass er vor Grace’ Schlafzimmer stand. Er sah sie durch die Scheibe mit Jack reden und wie sie sich in die Arme des anderen fallen ließ.
Da durchfuhr ihn ein kalter, scharfer Schmerz.
Aus dem ersten Impuls heraus hätte er am liebsten die Tür eingetreten und die beiden zusammengeschlagen. Um
diese Regung zu unterdrücken, umklammerte er das kalte Geländer hinter sich so fest, dass seine Handflächen brannten.
Als sie den Kopf von Jack Walkers Schulter hob und dem Mann in die Augen blickte, breitete sich das Bild in Smith aus wie ein Fleck. Mit schrecklicher Klarheit sah er, wie sie sich gegen Walker drängte, die blonden Haare ihr in Wellen über den Rücken fielen und sie die Arme ausstreckte, um die Schultern des Mannes zu umklammern.
Walker streichelte ihr Gesicht und beugte sich dann langsam zu ihren Lippen.
Smith wirbelte herum und rannte zurück in sein Zimmer.
Mehr wollte er nicht sehen, denn er hatte Angst, wie er darauf reagieren würde.
16
A m nächsten Morgen ging Grace schon sehr früh in den Garten hinab, um nachzudenken. Sie spazierte zwischen den Beeten hin und her, die schon für den bevorstehenden Winter vorbereitet worden waren, konnte sich jedoch erinnern, wie alles in voller Sommerblüte ausgesehen hatte. Die Teerosen, der Fingerhut, die Pfingstrosen und Lilien waren in einem bestimmten Muster angelegt worden. Es gab auch viele Kreuzungen, die ihr Vater gezüchtet hatte. In den Sommermonaten war es ein einziges Blütenmeer.
Sie ging die Rasenfläche hinab und hörte dabei immer deutlicher das Rauschen des Meeres. Ein paar Möwen schwebten über demWasser, wo sich die ersten Sonnenstrahlen zaghaft und rosig ausbreiteten. Es war sehr kühl, und sie war froh, einen dicken Pullover angezogen zu haben.
Vom Ende des Grundstücks aus führte ein Weg zum Strand. Dort stand eine kleine weiße Badehütte aus Schindeln mit einem roten Dach. Sie hatte eine schmale Veranda, auf der zwei weiße Korbstühle standen. Als Grace sich setzte, knarrte der alte Sessel unter ihrem Gewicht. Sie zog die Schuhe aus und legte die Beine auf das Geländer.
Dann wackelte sie mit den Zehen, um die aufgehende Sonne zu begrüßen, sah, wie eine Möwe die Richtung wechselte und ein paar Schritte vor ihr sanft landete. Sie wollte dem Vogel gerade sagen, sie könne ihm kein Frühstück bieten, da merkte sie, dass sie nicht alleine war.
Grace drehte sich um und sah Smith auf der anderen Seite des Zauns unter den Ästen eines alten Ahornbaums. Er stand an den Stamm gelehnt und starrte aufs Meer. Sie fragte sich, wann er das Haus verlassen hatte,
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