Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)
indem sie sich zusätzlich mit der Frage belastete, wer sie wohl von diesem Leiden befreit haben mochte.
»Na gut, aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben«, sagte Hans.
*
Dasselbe sagte Samantha sich am nächsten Tag auch. Nicht in Bezug auf ihre sexuellen Aktivitäten – in dieser Richtung hatte sie nicht die geringsten Ambitionen –, sondern in Bezug auf ihre Stelle bei Bruckner-Bad. Sie machte sich klar, dass sie dort keine Sonderstellung innehatte. Sie wareine Angestellte, nichts weiter. Eine Diplomkauffrau, die dort seit sieben Jahren beschäftigt war und jetzt den Zenit ihrer Karriere überschritten hatte. Sie hatte in dieser Firma sozusagen ihr Verfallsdatum erreicht.
»Bist du sicher, dass du diesen Schritt gehen willst?«, fragte Hans sie beim Frühstück.
Samantha nickte nur. Sie hatte sich alles sorgfältig überlegt. Heute Morgen war sie mit der Gewissheit aufgewacht, dass es keinen anderen Schritt gab. Für sie war bei Bruckner-Bad kein Platz mehr. Wenn Georg erst anfing, sich dort als Chef aufzuspielen, würde sie die Wände hochgehen. Oder ihm ins Gesicht springen. Oder beides. Was auch immer künftig dort laufen würde – es würde nur zu vorzeitiger Faltenbildung beitragen. Bei ihr, nicht bei Georg. Also war es besser, sie räumte vorher das Feld. Georg hatte völlig Recht. Das Beste war, sie nahm es sportlich.
»Ich melde mich arbeitslos«, sagte Samantha. »Dann werde ich mich in Ruhe umtun. Vielleicht mache ich was ganz anderes. Es muss ja nicht dieselbe Branche sein.«
Sie gab sich zuversichtlich, aber sie wusste genau, dass die Wirtschaftslage dazu keinen Anlass gab. Freie Stellen waren dünn gesät, vor allem die besser bezahlten Positionen. Erschwerend kam hinzu, dass sie eine Frau war und damit zweite Wahl. Die Zahlen der einschlägigen Statistiken sprachen für sich. Personalchefs besetzten Führungspositionen immer noch zu achtzig Prozent mit Männern.
»Du musst überhaupt nicht mehr arbeiten«, sagte Hans. »Ich habe genug Geld für uns beide.«
»Das weiß ich doch, du Lieber.«
»Ich wollte es dir nur noch einmal sagen.«
Ihr Abschied bei Bruckner-Bad wurde zu einer peinigenden Angelegenheit für Samantha.
»Das hätte ich nie vom Alten erwartet«, sagte Frau Sindelmann. Sie tupfte sich die nassen Augen und überreichte Samantha im Namen der übrigen Belegschaft ein Geschenk. Es war ein Buch mit dem Titel Wie werde ich mein eigener Chef , das nett auf einem Fresskorb dekoriert war.
Onkel Herberts Sekretärin vertraute Samantha an, dass sie starke Zweifel an Georgs Chefqualitäten habe. »Stellen Sie sich mal vor, was er macht, wenn er denkt, dass er alleine ist«, flüsterte sie.
»In der Nase bohren?«
»Nein, er liest diese versauten Heftchen und spielt unterm Schreibtisch an sich selber rum.«
»Haben Sie das gesehen?«
»Ich nicht, aber die Putzfrau. Zweimal. Sie hat gesagt, wenn es noch mal vorkommt, wird sie wegen unhaltbarer Zustände am Arbeitsplatz bei der Geschäftsleitung vorsprechen. Das ist natürlich jetzt besonders blöd, denn ab demnächst ist er ja selber die Geschäftsleitung. Ich habe ihr gesagt, sie soll ihn wegen exhibitionistischer Übergriffe anzeigen, vielleicht hilft das.«
Die Genugtuung, die Samantha bei dieser Aussicht fühlte, hielt nur kurz vor. Wenn sie in dieser Situation überhaupt etwas als tröstlich empfand, dann höchstens die Gewissheit, dass Georg sich nächste Woche mit Erika von Sontenburg herumplagen und die roten Zahlen aus dem Corelli-Projekt vor Onkel Herbert verantworten musste.
Samantha beendete ihren Rundgang durch die Firma, schüttelte Hände, bedankte sich für das Geschenk und versprach, niemanden zu vergessen. Die ganze Zeit hatte sie Mühe, nicht in Tränen auszubrechen. Sie schaute sich ein letztes Mal die Ausstellungsräume an, die sie selbst mit so viel liebevoller Gründlichkeit entworfen hatte, und anschließendfuhr sie heulend durch die Gegend und fragte sich, mit welcher Missetat sie sich diesen Schicksalsschlag verdient hatte. Lange musste sie nicht überlegen. Alles hatte damit angefangen, dass sie Hans betrogen hatte. Mit einem Callboy, der fünfhundert Euro dafür kassiert hatte.
Der liebe, wunderbare Hans! Sicher saß er in diesem Moment zu Hause und wartete mit einem köstlichen Essen auf sie.
Spontan entschied Samantha, dass sie im Augenblick auf keinen Fall nach Hause fahren wollte. In den letzten Tagen hatte sie sowieso ständig das Gefühl, an ihrem schlechten Gewissen ersticken zu
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