Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)
mal bei ihm klingeln müssen. Ganz sicher erwartete er nicht von ihr, dass sie ihm seinen Kram persönlich in die Hand drückte. Es reichte völlig, wenn sie ihm die Tüte vor die Tür stellte. Er hatte weder Nachbarn noch Mitbewohner, folglich würde niemand das Zeug klauen.
Zwischendurch hatte sie die geniale Idee, dass Benedikt ihm die Sachen geben könnte, weil er ja ohnehin noch seine eigenen Sachen von Eddie zurückbekäme. Auf diese Weise könnten die beiden das sozusagen im Austauscherledigen, und alle Beteiligten waren zufrieden. Natürlich musste sie Eddie noch irgendwie seine fünfhundert Euro zukommen lassen, aber das ließ sich genauso gut per Post erledigen. Wozu hatte sie jetzt die Briefmarken?
Aber Benedikt winkte ab, als sie ihn deswegen anrief.
»Er hat mir die Sachen gleich am nächsten Tag gebracht.«
»Wirklich? Was hat er gesagt?«
»Nichts. Ich war in der Stadt, und als ich nach Hause kam, hing eine Tüte an der Tür. Wie geht’s deinem Ausschlag?«
Am Ende nahm Hans ihr die Entscheidung aus der Hand. »Da liegt schon seit Tagen eine Papiertüte bei dir im Wagen. Hast du sie nach dem Einkaufen da vergessen?«
»Nein, es sind ein paar aussortierte Klamotten drin. Ich werfe sie in den Altkleidercontainer, wenn ich das nächste Mal dran denke.«
»Soll ich das für dich erledigen? Ich will später noch leere Flaschen wegbringen, es wäre also ein Weg.«
»Nein!«, rief Samantha aus. »Ich muss sowieso gleich in die Stadt, ich habe einen Termin beim Friseur!«
»Warst du da nicht erst letzte Woche?«
»Ja, aber ich war diesmal nicht so überzeugt von dem Schnitt.«
Sie hatte ihr Haar wie alle sechs Wochen drei Zentimeter kürzen lassen und war wie immer vollauf mit dem Ergebnis zufrieden, doch eine bessere Ausrede war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen.
An diesem Tag blieb ihr also nichts anderes übrig, als es endlich zu erledigen.
Nachdem sie sich einmal klar gemacht hatte, dass es überhaupt nicht schlimm war, fand sie es ganz einfach. Sie fuhr spornstreichs zu der alten Fabrik, parkte ihrenWagen hinter dem verbeulten Jeep, nahm die Tüte vom Rücksitz und stieg aus.
Bis hierher war es wirklich ein Kinderspiel gewesen. Der Rest schien dann mit einem Mal nicht mehr ganz so problemlos zu klappen. Ihre Füße wurden immer schwerer, als sie über die Betonbrocken und die alten Holzstapel stieg, die in der Nähe der Eingangstür herumlagen. Es war nicht mehr ganz so viel Schrott wie noch vor ein paar Wochen, aber man musste immer noch aufpassen. Ein paar der morschen Holzbretter sahen aus wie Teile von Lattenrosten. Samantha dachte unwillkürlich an ihre ungeheuer dämliche Intrige und krampfte die Faust fester um die ohnehin schon zerknitterte Tüte. Bevor sie losgefahren war, hatte sie noch den Anzug dazugepackt. Im letzten Moment war ihr eingefallen, dass Hans es sicher sehr merkwürdig finden würde, falls er jemals das gute Stück zufällig in ihrem Kleiderschrank entdecken sollte. Sie konnte sich schwerlich damit herausreden, ihn für sich selbst gekauft zu haben. Und Hans passte er genauso wenig. Also war es nur folgerichtig, wenn sie den Anzug demjenigen zukommen ließ, für den sie ihn angeschafft hatte. Diese Entscheidung war ihr allerdings nicht ganz leicht gefallen, denn es lag schließlich auf der Hand, bei welchen Gelegenheiten Eddie ihn tragen würde. Wahrscheinlich würde er sich vor Wiederholungsbuchungen kaum retten können.
Grimmig drückte sie den Klingelknopf. Es dauerte eine Weile, bis der Türsummer ertönte, und noch länger dauerte es, bis Samantha anschließend die Treppe erklommen hatte. Irgendwie schienen ihre Füße an den dämlichen, gelochten Metallstufen festzukleben. Sie kam kaum von der Stelle. Dadurch hatte sie genug Zeit, sich das Treppenhaus anzusehen. Es war grob gemauert undmit weißer Farbe übertüncht. Durch eine große Glasscheibe konnte man in die alte Fabrikhalle schauen, wo eine Menge Maschinen und Geräte stumm vor sich hinrosteten. Der Anblick weckte in Samantha wieder das Bild von dem Schrottauto in der Presse. In diesem Moment fühlte sie sich, als steckte sie mittendrin, und der Zerquetschungsprozess war in vollem Gange. Sie war zwar endlich oben auf der letzten Stufe angekommen, hatte aber plötzlich akute Atemprobleme. Ihr Herz raste wie eine alte Dampfmaschine, und ihre Pulse tuckerten wie morsche Leitungen.
Dann wurde die Wohnungstür aufgerissen, und Samantha verwandelte sich von einer kaputten Maschine in eine
Weitere Kostenlose Bücher