Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)
Statue.
Eddie stand vor ihr, nackt und zerzaust und mit Farben beschmiert wie ein prähistorischer Krieger.
Samantha wollte einen Schritt zurückweichen und wäre dabei um ein Haar die Treppe hinabgestürzt. Sie konnte sich gerade noch am Geländer festklammern.
»Hallo«, stammelte sie. »Ich bin’s.«
»Das sehe ich.« Eddies Miene war nicht zu deuten. Möglicherweise lag das an den vielen bunten Farbflecken, die sich von seiner Stirn über seine Wangenknochen bis hin zu seinem Kinn ausbreiteten. Immerhin war er nicht nackt, wie Samantha zunächst angenommen hatte, sondern trug eine von seinen Boxershorts. Auch sein Körper war über und über mit Farbe bekleckst.
»Wir haben gemalt«, meinte er, während er die Tür weiter öffnete. »Komm rein.«
Samantha betrat hinter ihm das Loft und stolperte nach zwei Schritten über einen Schnuller, der knirschend unter ihrem Absatz entzweibrach.
Der dazugehörige kleine Junge hockte ein paar Meterweiter auf einer ausgebreiteten Plastikplane, den nackten Hintern auf einem Töpfchen. Er war genauso verschmiert wie Eddie, von seinem Blondschopf bis hin zu seinen Füßchen.
»Das ist Andi«, sagte Eddie. »Andi, das ist Samantha.«
Andi hatte keinen Sinn für Höflichkeiten. Er warf einen entsetzten Blick auf die Reste seines Schnullers und fing an zu weinen.
»Du lieber Himmel«, sagte Samantha bestürzt. »Es tut mir wahnsinnig Leid!«
»Reg dich nicht auf«, sagte Eddie zu dem Kleinen. »Wir wollten das blöde Teil sowieso abschaffen.« Zu Samantha sagte er: »Schließlich ist er kein Baby mehr. Er muss es nur noch selber merken. Das Nuckteltuch brauchen wir auch nicht mehr. Und wir schaffen es auch ohne Schnuller. Stimmt’s, Kumpel?«
Andi war völlig anderer Ansicht. »Nulli«, heulte er. »Andi Nulli putt!«
Samantha brauchte keinen Dolmetscher, um das zu verstehen. Sie ging vor dem Kleinen in die Hocke, während sie hastig in ihrer Handtasche kramte. »Schau mal«, sagte sie. »Ich habe was viel Besseres. Wie findest du das hier?«
Das hier war ein schöner, großer, fetter Schokoriegel. Samanthas eiserne Notration für besonders schwierige Lebenslagen. Sie brauchte jeden Tag ungefähr drei bis fünf Stück von den Dingern, um ihren Seelenfrieden einigermaßen in der Waage zu halten, versuchte aber regelmäßig, sich auf zwei zu beschränken. Anderenfalls hätte sie möglicherweise zwar sehr bald eine positivere Gemütsverfassung, aber auch mindestens zehn Pfund Übergewicht.
Sie zog das Papier ab und hielt Andi den Riegel hin. Er riss ihn ihr aus der Hand und fing gierig an zu kauen.Speichel tropfte ihm aus den Mundwinkeln, und er verdrehte die Augen vor reiner Wonne.
Samantha war entzückt und gerührt. »Es schmeckt ihm! Wie süß! Ein richtiger kleiner Schokoholic!«
»Natürlich schmeckt es ihm«, sagte Eddie ärgerlich. »Alle kleinen Kinder mögen Schokolade! Aber es ist schlecht für die Zähne!«
»Hat er denn schon welche?«
Diese Frage entlockte Eddie ein verächtliches Schnauben.
»Ich bin der Meinung, in gewissen Lebenslagen haben Menschen ein Grundrecht auf Schokolade«, sagte Samantha bestimmt. »Und es ist völlig egal, wie alt sie sind. Beziehungsweise ob sie Zähne haben oder nicht. Zähne kann man putzen. Er kann ja außerdem zum Abendessen wieder Karotten oder Spinat essen.«
Sie hatte keine Ahnung, wo sie plötzlich diese Entschiedenheit hernahm. Sie wusste nur, dass dieser kleine Junge genau diesen Schokoriegel brauchte. Und zwar jetzt. Bis zum letzten Bissen. Sie richtete sich auf und bezog Stellung vor dem Kleinen, für den Fall, dass Eddie vorhatte, die Schokolade zu konfiszieren.
»Und ich finde es auch nicht gut, dass er die ganze Zeit hier mitten in dem zugigen Zimmer auf dem Töpfchen hocken muss. Er ist doch noch so klein! Warum ziehst du ihm nicht einfach eine Windel an?
»Weil er es sonst nie lernt.« Eddie stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete Samantha abwägend. »Was willst du überhaupt hier?«
Sie schluckte, und der Anflug von Selbstsicherheit zerstob von einem Augenblick auf den nächsten zu einem kläglichen Nichts.
»Ich bringe dir deine Sachen zurück.« Sie hielt ihm dieTüte entgegen, die er mit unergründlichem Gesichtsausdruck entgegennahm und achtlos hinter sich auf den Boden warf.
»Danke«, sagte er. Nichts weiter.
» Ich habe zu danken, dass du … dass du so nett warst … dass du freundlicherweise …«
Sie verstummte. Was hätte sie auch sagen sollen? Dass du mir zuliebe mit
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