Wenn Frauen nicht mehr lieben
bestürzende Leere.
Wie sonst sollen wir etwa die um sich greifenden, immer zahlreicher werdenden weiblichen Eßstörungen – von der 179
Magersucht bis zur Bulimie – verstehen, wenn nicht als gravierende Störung der Beziehung zum eigenen Körper und zum eigenen Selbst? Junge Frauen greifen zur Beruhigungspille Nahrung und stopfen alles in sich hinein, was ihnen an Eßbarem begegnet, um es dann gleich wieder zu erbrechen. Daß so etwas ins Geld geht, spüren vor allem die Väter, 3000 DM pro Monat für die benö-
tigten Eßwaren einer jungen Frau, die nur kurze Zeit im Magen bleiben, sind keine Ausnahme. Aber auch sonst hat man heute selten den Eindruck, daß Frauen aus sich heraus leben oder auf einer gut fundierten weiblichen Identität aufbauen können. Oft werden Frauen erst mit der Menopause – so paradox das klingt – richtig selbstbewußt, klar und stark in ihrer Ausstrahlung. Während viele jüngere Frauen sich mit ihrem Selbstwert herumplagen, angefangen beim Körper, mit dem sie nie zufrieden sind, bis zum Gefühl des Niegenügens in allen Bereichen ihres Lebens.
Was man ihnen im übrigen nicht unbedingt ansieht, denn Frauen sind Weltmeisterinnen im Kompensieren und Projizieren. So wird der Mangel oft auch dort wahrgenommen, wo er gar nicht ist, beim Mann. Man kann sich fragen, ob die modernen Eß-Störungen nicht die Kehrseite einer geistig-seelischen Ernährungsstörung junger Frauen sind. Bedingt durch einen Mangel an Zuwendung in der frühen Kindheit – einem Defizit in der Mutter-Tochter-Beziehung –, aber auch durch das Defizit an Anerkennung weiblicher Werte im allgemeinen und das Fehlen der Repräsentation des weiblichen Prinzips überall in unserer westlichen Kultur.
In einer Kultur, in der das weibliche Prinzip kaum noch vertreten ist und sogar dort, wo man es am ehesten vermuten würde – im Feminismus –, völlig ignoriert wird, müssen Orientierungsstörungen auftreten. Bei beiden Geschlechtern, weil beide Geschlechter von beiden Prin-180
zipien abhängig sind. So hat die Frau sich von sich selbst entfremdet und kennt nicht einmal mehr die Grundbedürfnisse einer weiblichen Identitätsbildung und -pflege.
Und der Mann verliert sich in einer Welt, in der er das weibliche Prinzip nicht mehr gespiegelt bekommt.
Das weibliche Prinzip braucht Raum, und auch Zeit.
Heute aber müssen junge Frauen sich wie junge Männer verhalten, im Konkurrenzkampf um den Arbeitsplatz, den Lohn, die Anerkennung von außen. Alles muß schnell und speditiv geschehen. Dem weiblichen Bio-Psycho-Rhyth-mus wird so nicht mehr Genüge geleistet. Stellen sich die ersten Symptome einer Selbstwertstörung ein, so wird schnell und munter nach dem männlichen Prinzip trainiert.
In Psycho- und sonstigen Kursen wird atemlos nach dem wahren Selbst gesucht, werden aggressive und fordernde Selbstbehauptung geübt, in Coachings wird der »richtige«, sprich männliche Umgang mit Kunden und Mitmenschen exerziert. Frauen suchen nach ihrem Selbstwert, nach Werten und Idealen an Orten, die mit der weiblichen Natur und ihrer Schöpfungskraft nicht mehr viel zu tun haben.
Frauen besitzen eine ganz andere Sieger und Konkur-renzorientierung als Männer (Gertrud Höhler). Es ist ihnen nicht gedient, wenn sie sich nach männlichen Maßstäben verhalten müssen.
Um ihre schöpferische Kraft zu erhalten und ihre kreative Freiheit zu gewährleisten, sowie sich als feminines Wesen in den tiefsten Gründen ihres Wesens zu finden und zu verankern, muß sich die Frau selbstverständlich gegen die Bevormundung des Mannes zur Wehr setzen. Wobei die Situation sich heute eher in der umgekehrten Variante präsentieren dürfte, daß nämlich der Mann sich der Bevormundung durch die Frau erwehren muß. Vor allem aber sollte die Frau vor der 181
öffentlichen Frauenmeinung, die aus den Frauen männlich orientierte Geschöpfe machen will, auf der Hut sein.
Die Frau sieht sich zwar gern als autonomes Wesen. In Tat und Wahrheit ist sie aber selten wirklich autonom, mit der Bürde an Verantwortung, Selbstbewußtsein, aber auch Einsamkeit und Isolation, die diese Position beinhaltet.
So muß die moderne Frau sich weniger gegen patriarchale Strukturen wehren denn gegen die versteckt frauenfeindlichen Frauenmythen unserer Zeit und gegen die feindseligen Einmischungen ihrer Geschlechtsgenossinnen in ihr Privat- und Berufsleben. Die Penetration in die intimsten Windungen unseres Wesens und die Offen-legung privater Angelegenheiten in der
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