Wenn Frauen nicht mehr lieben
Bewegung, zum Handeln, zur Veränderung, zum Tun.
Das männliche Prinzip entspricht der Bewegung, nicht der Ruhe. Das Männliche will in Bewegung kommen, fließen, stürmen und erstürmen. Wenn der Mann daran gehindert wird, in untolerierbarem Maße von der Frau festgehalten wird, wird er todunglücklich sein. Das weibliche Prinzip ist die Harmonie, das Männliche die Disharmonie. Die Frau macht aus wenig viel, der Mann ist verschwen-derisch.
Wir finden die Prinzipien der Weiblichkeit und Männlichkeit überall in der Natur. Unser kollektives Unbewußtes oder unser phylogenetisches Erbe bergen uraltes Wissen über die Qualität von Weiblichem und Männli-chem in sich. Wir haben ein unbewußtes Verständnis, das in uns schlummert, für Bewegung, für Empfängnis und Befruchtung, für die Stille und das Warten, für die Notwendigkeit der Trennung und Veränderung, aber auch für das Bewahren, für die Kontinuität. Wir wissen auch, daß in jedem Anfang schon ein Ende ist, auch wenn wir dies zunächst erfolgreich verdrängen. So können Gefühle der Sehnsucht, Wehmut, Trauer etc. ausgelöst werden, ohne daß wir genau wissen, woher diese kommen.
Ruhe und Ordnung sind weibliche Gesetze. »Schuster, bleib bei deinen Leisten« dürfte ein typisch weiblicher Spruch sein. Nicht aus der Reihe tanzen, sich auf das konzentrieren, was im Moment da ist. All das ist weiblich.
Aushalten, beharren, bewahren, halten. Dies wiederum entspricht der bekannten Tatsache, daß die Frau den Mann gern festhält und auch mehr unter Trennungen leidet. Die Stärke eines erwachsenen Menschen läßt sich daran messen, inwieweit er dem weiblichen und dem männ-174
lichen Prinzip unter seinem Dach – in seinem Inneren –
einen Platz zu geben vermag, inwieweit er beide seinem Geschlecht entsprechend integriert hat.
Der Psychotherapeut, der einen depressiven Menschen
»hält«, muß über ein sehr gut integriertes weibliches Prinzip verfügen, unabhängig davon, ob es sich um einen Psychotherapeuten oder eine Psychotherapeutin handelt.
Normalerweise wird der depressive Mensch vertröstet.
Wir geben ihm Ratschläge, motivieren und aktivieren ihn, weil wir ihn nicht »halten« oder aushalten können.
Beide Prinzipien lassen sich sowohl bei der Frau wie beim Mann vorfinden, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung. Die Frau kann das männliche Prinzip bei sich mehr oder weniger stark entwickelt haben. Dominiert es zu sehr, kommt das weibliche Prinzip zu kurz. Es kann aber auch gut ausgeprägt sein und sich positiv auswirken, vorausgesetzt, die weibliche Geschlechtsidentität ist gut etabliert und sicher verankert. Was heute eher zu wünschen übrig läßt, denn das männliche Prinzip dominiert überall, bei der Frau und auch sonst in der Gesellschaft.
Das zugleich vorliegende Defizit des weiblichen Prinzips bei beiden Geschlechtern und überall auf der Welt läßt nichts Gutes ahnen.
Mit dieser polaren Aufteilung ist keine Wertung verbunden. Genauso, wie blau nicht gleich rot ist, ist rot nicht besser als blau. Es braucht beides. Eine Stimme tönt für uns auch nicht angenehm, wenn nur hohe oder nur tiefe Töne vertreten sind. Wenn eine Stimme nicht moduliert ist, ist sie monoton. Wir langweilen uns und schlafen ein. Melodiös ist eine Stimme, wenn sie hohe (weibliche) und tiefe (männliche) Töne vereint, also Zwischentöne in Abstufungen hat.
Harmonie können wir dann besonders gut wahrnehmen, wenn das männliche und das weibliche Prinzip sich in 175
einem Gleichgewicht befinden, wenn sie mehr oder weniger gleichwertig vertreten sind, etwa in der Kunst. Ein Bild wirkt für uns harmonisch, wenn sich Elemente im Bild wiederholen (weibliches Prinzip) und wenn gleichzeitig etwas Neues Spannung in die Ruhe hineinbringt (männliches Prinzip). Ähnlich verhält es sich mit den Farben, Ein Tupfer Rot in einem sonst andersfarbigen, ruhigen Bild gibt dem Bild eine Intensität, die es ohne dieses Eindringen des männlichen Prinzips nicht hätte.
Auf der anderen Seite wirkt ein reines Bewegungsbild auf den Betrachter unruhig. Das weibliche Prinzip ist dann im Bild zu wenig vertreten. Dem Zuschauer wird zu wenig Ruhe gespiegelt.
Wir leben heute in einer Kultur, in der das Chaos überwiegt, in der Reizüberflutungen kontinuierlich über uns einstürzen und in der das weibliche Prinzip zu kurz kommt bzw. ganz fehlt und eben nicht einmal bei der Frau gut integriert ist. Auch in der modernen Malerei ist das männliche Prinzip dominant. Das 20.
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