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Wenn Frauen zu sehr lieben

Wenn Frauen zu sehr lieben

Titel: Wenn Frauen zu sehr lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Norwood
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ausschließlich im Bett. Wenn wir endlich allein waren, stürzten wir uns aufeinander. Manchmal glaubten wir beide, dass wir die einzigen auf der Welt waren, die den Sex als so etwas Intensives und Erregendes erlebten. Und hinterher mussten wir natürlich jedes Mal Abschied nehmen. Die Zeit ohne ihn war ganz leer für mich. Ich nutzte sie eigentlich nur dazu, mich auf unser nächstes Wiedersehen vorzubereiten. Ich wusch meine Haare mit einem speziellen Shampoo, lackierte mir die Fingernägel und träumte einfach vor mich hin. Aber ich versuchte, nicht zu viel an seine Frau und die Kinder zu denken. Ich war davon überzeugt, dass er zu früh und blindlings in die Ehe gestolpert war, bevor er wirklich wusste, was er vom Leben wollte, und die Tatsache, dass er nicht vorhatte, wegzulaufen und sich vor seinen Verpflichtungen zu drücken, rührte mich und machte ihn irgendwie noch liebenswerter.»
    «… und machte es mir mit ihm noch angenehmer», hätte Ann hinzufügen können. Zu einer engen Dauerbeziehung war sie nicht fähig. Deshalb kam es ihr im Grunde sogar gelegen, dass Jim dazu wegen seiner Lebensumstände auch nicht fähig war, genauso wenig wie der Footballspieler mit seinen sportlichen Ambitionen. Nur die Beziehungsformen, die uns vertraut sind, sind uns auch angenehm, und Jim brachte in die Beziehung genau das ein, was Ann so gut von ihren Eltern kannte: Distanziertheit und Bindungslosigkeit.
    Das zweite Semester ging seinem Ende entgegen, der Sommer nahte, und Ann fragte Jim, was aus ihnen werden sollte. Die Semesterferien würden beginnen und dann hätten sie dieses Alibi für ihre Treffen nicht länger. Er runzelte die Stirn und antwortete unschlüssig: «Ich weiß noch nicht genau. Mir wird schon was einfallen.» Dieses Stirnrunzeln reichte aus, um Ann von weiteren Fragen abzuhalten. Was sie beide verband, war einzig und allein das Glück, das sie ihm schenken konnte. Wenn er nicht glücklich war, würde er sich vielleicht von ihr trennen. Sie durfte ihn also keinesfalls bedrängen.
    Die Semesterferien begannen, und Jim war noch nichts eingefallen. «Ich ruf dich an», sagte er. Sie wartete. Der Vater eines Freundes bot ihr einen Sommerjob in seinem Kurhotel an. Mehrere Freunde von ihr wollten auch dort arbeiten und drängten sie, das Angebot anzunehmen. Sie malten ihr aus, wie schön es im Sommer am See war und wie viel Spaß die Arbeit machen würde. Aber Ann lehnte ab, weil sie Angst hatte, Jims Anruf zu verpassen. Obwohl sie in den nächsten drei Wochen das Haus kaum verließ, kam der ersehnte Anruf nie.
    An einem heißen Nachmittag Mitte Juli fuhr Ann lustlos ins Stadtzentrum zum Einkaufen. Als sie aus einem Geschäft trat und die Augen vor dem hellen Sonnenlicht zusammenkniff, sah sie auf einmal Jim, einen braun gebrannten, lächelnden Jim, der die Hand einer Frau hielt, die mit Sicherheit seine Ehefrau war. Daneben standen zwei kleine Kinder, ein Junge und ein Mädchen, und an Jims Brust lag ein Säugling in einem blauen Schultertuch. Ann versuchte, Augenkontakt mit Jim aufzunehmen. Er starrte sie kurz an, sah dann weg und ging an ihr vorbei – mit seiner Familie, seiner Frau, seinem Leben.
    Irgendwie schaffte sie es, ihr Auto zu erreichen, obwohl die Schmerzen in der Brust ihr das Atmen fast unmöglich machten. Schluchzend und nach Luft schnappend blieb sie in dem aufgeheizten Wagen sitzen, so lange, bis die Sonne untergegangen war. Dann fuhr sie mit großer Mühe langsam zum College und hinauf in die umliegenden Hügel – die Hügel, wo Jim und sie spazieren gegangen waren, wo er sie zum ersten Mal geküsst hatte. Die Straße fiel auf einer Seite steil ab. Dort, wo Ann um eine Kurve hätte biegen müssen, fuhr sie weiter geradeaus.
    Dass sie den Aufprall mehr oder weniger unversehrt überlebte, war ein Wunder. Für sie war es aber auch eine große Enttäuschung. Noch während sie im Krankenhaus lag, schwor sie sich, es wieder zu versuchen, sobald sie draußen war. Sie wurde zur weiteren Behandlung an die psychiatrische Station überwiesen, schluckte Tabletten, die sie benommen machten, ließ das obligatorische Gespräch mit dem Psychologen über sich ergehen. Die – getrennten – Besuche von ihren Eltern wurden vorher sorgfältig mit dem Pflegepersonal abgestimmt. Wenn ihr Vater an der Reihe war, hielt er ihr ernste Vorträge darüber, dass sie noch ihr ganzes Leben vor sich hätte; Ann zählte heimlich mit, wie oft er dabei auf seine Uhr schaute. Diese Vorträge endeten normalerweise mit

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