Wenn Frauen zu sehr lieben
Etikett
Langeweile
versehen. Ann wusste einfach nicht, wie sie sich in der Gesellschaft eines Mannes verhalten sollte, der herzlich, aufmerksam und wirklich an ihr interessiert war. Wie alle Frauen, die zu sehr lieben, hatte sie zwar gelernt, auf «Problemmänner» einzugehen, nicht aber, schlicht und einfach die Gesellschaft eines Mannes zu genießen. Wenn sie nicht manövrieren und manipulieren musste, um eine Beziehung aufrechtzuerhalten, fiel es ihr schwer, sich überhaupt auf eine Beziehung einzulassen, sich mit einem Mann wohl und behaglich zu fühlen. Sie hatte sich an Aufregung und Schmerz, an Kampf, Sieg oder Niederlage so sehr gewöhnt, dass ihr jeder nähere Kontakt ohne solche Begleiterscheinungen zu harmlos erschien, um ihr etwas zu bedeuten. Sie empfand also mehr Unbehagen in der Gegenwart zuverlässiger, aufmerksamer, fröhlicher Männer, als sie es jemals mit teilnahmslosen, emotional unzugänglichen, unerreichbaren oder einfach desinteressierten Männern erlebt hatte.
Eine Frau, die zu sehr liebt, ist an negative Eigenschaften und Verhaltensweisen
gewöhnt
und kann daher leichter mit ihnen umgehen als mit ihrem Gegenteil, solange sie nicht hart daran arbeitet, das eigene Verhalten, die Reaktionen und Gefühle zu verändern. Solange Ann also nicht gelernt hatte, sich mit einem Mann wohlzufühlen, der ihre Interessen für genauso wichtig hielt wie seine eigenen, gab es für sie keine Hoffnung, jemals eine befriedigende Beziehung eingehen zu können.
Vor ihrer Genesung weist eine Frau, die zu sehr liebt, im Hinblick auf ihr Empfinden und ihr sexuelles Verhalten Männern gegenüber im Allgemeinen folgende Merkmale auf:
Sie fragt sich: «Wie sehr liebt (oder braucht) er mich?», und nicht «Wie viel bedeutet er mir?»
Das Motiv für ihr sexuelles Verhalten ihm gegenüber lautet meistens: «Wie kann ich es erreichen, dass er mich noch mehr liebt (oder braucht)?»
Ihr Drang, sexuelle Kontakte mit Menschen aufzunehmen, die sie als bedürftig erlebt, mag auf ein Verhalten hinauslaufen, das sie selbst als promiskuitiv verurteilt. Dieses Verhalten zielt jedoch in erster Linie darauf ab, nicht sich selbst, sondern anderen Befriedigung zu verschaffen.
Sex ist eines der Mittel, die sie einsetzt, um ihren Partner zu manipulieren oder zu ändern.
Häufig erlebt sie die Machtkämpfe um gegenseitige Manipulation als sehr aufregend. Sie verhält sich verführerisch, um ihren Willen durchzusetzen. Gelingt es, fühlt sie sich gut, gelingt es nicht, fühlt sie sich schlecht. Jeder Misserfolg veranlasst sie normalerweise dazu, sich noch mehr anzustrengen.
Sie verwechselt Angst, Sorge und Leiden mit Liebe und sexueller Erregung. Das Gefühl, einen Knoten im Bauch zu haben, nennt sie «Liebe».
Sie gewinnt ihre Erregung aus seiner Erregung. Sie kennt sich selbst nicht und weiß mit sich nichts anzufangen; im Grunde erlebt sie ihre eigenen Gefühle als bedrohlich.
Ohne die Herausforderung einer unbefriedigenden Beziehung empfindet sie eine Art Ruhelosigkeit. Zu einem Mann, um den sie nicht ständig kämpfen muss, fühlt sie sich sexuell nicht hingezogen. Stattdessen stempelt sie ihn als «langweilig» ab.
Häufig lässt sie sich auf einen sexuell weniger erfahrenen Partner ein, um die Beziehung unter Kontrolle halten zu können.
Sie sehnt sich nach körperlicher Nähe. Weil sie sich jedoch davor fürchtet, von einem anderen Menschen wirklich angenommen und/oder von ihrem eigenen Bedürfnis nach Fürsorge überwältigt zu werden, fühlt sie sich nur mit der emotionalen Distanz wohl, die durch ständige Spannung in einer Beziehung geschaffen und aufrechterhalten wird. Sie bekommt Angst, wenn ein Mann bereit ist, nicht nur sexuell, sondern auch emotional für sie da zu sein. Entweder läuft sie davon oder sie vertreibt ihn.
Die Frage, die Ann am Anfang unserer gemeinsamen Arbeit so sehr quälte – «Warum konnten wir uns sexuell so gut verstehen, so herrlich miteinander fühlen, so nahe sein, wenn sonst eigentlich gar nichts zwischen uns war?» – verdient eine genauere Untersuchung. Frauen, die zu sehr lieben, befinden sich oft in dem Dilemma, «guten» Sex in einer unglücklichen oder hoffnungslosen Beziehung zu erleben. Vielen von uns wurde beigebracht, «guter» Sex bedeute «echte» Liebe, und umgekehrt könne Sex nicht wirklich befriedigend und erfüllend sein, wenn die Beziehung insgesamt nicht gut für uns ist. Nichts ist für Frauen, die zu sehr lieben, weiter entfernt von der Wahrheit als diese Behauptung. Auf
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