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Wenn Frauen zu sehr lieben

Wenn Frauen zu sehr lieben

Titel: Wenn Frauen zu sehr lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Norwood
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kämpfte – so hart wie er –, aber nicht um sportlichen Erfolg, sondern um seine Aufmerksamkeit; mit der ständigen Verfügbarkeit ihres Körpers versuchte sie, sein rigoroses Trainingsprogramm zu durchkreuzen. Selbst wenn sie miteinander ins Bett gingen, war er entweder zu müde oder zu wenig an Sex interessiert, um eine Erektion zustande zu bringen oder zu halten.
    Eines Tages, als sie bei mir im Büro saß und ihren jüngsten missglückten Liebesversuch schilderte, brach sie plötzlich in Lachen aus. «Wenn ich darüber nachdenke, kommt es mir total absurd vor! Ich gebe mir die größte Mühe, einen Mann so weit zu bringen, dass er mit mir schläft, obwohl er eigentlich keine Lust dazu hat.» Sie lachte noch einmal und sagte dann ernst: «Damit muss ich aufhören, endgültig. Anscheinend interessiere ich mich immer nur für Männer, die mir nichts bieten können und die noch nicht mal das haben wollen, was ich ihnen bieten kann.»
    Das war eine überaus wichtige Einsicht für Ann. Im Verlauf der Therapie hatte sie gelernt, sich selbst mehr zu akzeptieren; sie konnte erkennen, wann eine Beziehung nicht gut für sie war, statt sich einzureden, sie sei nicht liebenswert genug oder habe sich nicht genügend angestrengt. Die Tendenz, Sex als Mittel einzusetzen, um die Beziehung mit einem unschlüssigen oder ungeeigneten Partner aufzunehmen, schwächte sich ab. Als sie nach zwei Jahren die Therapie beendete, traf sie sich zwar mit einigen jungen Männern, aber nur ganz unverbindlich; ins Bett ging sie mit keinem von ihnen.
    «Es ist ein ganz neues Gefühl für mich, mit jemandem auszugehen und tatsächlich darauf zu achten, ob er mir gefällt, ob ich mich gut amüsiere, ob ich ihn für einen netten Kerl halte. Über solche Sachen habe ich früher nie nachgedacht. Ich habe mich immer so schrecklich bemüht, dem anderen zu gefallen, dafür zu sorgen, dass er sich gut amüsiert und mich nett findet. Wissen Sie, nach einer Verabredung habe ich mich nie gefragt, ob ich ihn wieder sehen will. Ich war viel zu sehr mit der Frage beschäftigt, ob er mich so gern hat, dass er mich wieder sehen will. Ich habe verkehrt herum gedacht.»
    Als Ann beschloss, die Therapie zu beenden, dachte sie nicht mehr «verkehrt herum». Sie konnte erkennen, wann eine Beziehung für sie nicht in Frage kam, und jeder Funke von Attraktion zwischen ihr und einem ungeeigneten Verehrer erlosch schnell, weil sie fähig war, seine Persönlichkeit, die Situation und die Möglichkeiten nüchtern einzuschätzen. Sie hatte keinen Bedarf mehr an Leiden und Ablehnung. Sie wollte entweder jemanden, der ein wirklicher Partner für sie sein konnte, oder überhaupt keinen. Dazwischen gab es nichts mehr. Aber dennoch hatte Ann keine Ahnung davon, wie sie mit einer Beziehung umgehen sollte, in der es Leid und Zurückweisung nicht gab, sondern das Gegenteil davon: Zuwendung und Beständigkeit. Sie hatte nie die Vertrautheit und Nähe kennengelernt, die aus einer festen Bindung erwachsen. Trotz ihrer Sehnsucht nach Nähe mit einem Partner hatte sie doch nie den Anforderungen wirklicher Nähe und Vertrautheit genügen müssen. Es war also kein Zufall, dass sie sich nur für abweisende Männer interessiert hatte. Ihre Fähigkeit, mit Intimität umzugehen, war gering. In ihrer Familie hatte es keine Intimität gegeben, nur Kämpfe, die manchmal unterbrochen wurden, um ein Abkommen zu schließen, das meistens den Anlass für die nächste Schlacht gab. Es hatte Schmerzen und Spannungen gegeben, die manchmal für kurze Zeit verschwinden konnten, aber niemals Anteilnahme, Verbundenheit oder gar Liebe. Das manipulative Verhalten ihrer Mutter hatte Ann dazu gebracht, wahre Liebe mit bedingungsloser Hingabe gleichzusetzen. Als sie sich mit Hilfe der Therapie aus ihrer selbstaufopfernden Märtyrerrolle befreit hatte, wusste sie jedenfalls ganz genau, was sie nicht mehr tun wollte – damit war sie schon ein großes Stück weitergekommen. Aber sie hatte erst die halbe Wegstrecke zurückgelegt.
    Anns nächstes Lernziel bestand darin, die Gesellschaft von «netten» Männern zu suchen, selbst wenn sie sie ein bisschen langweilig fand. Frauen, die zu sehr lieben, empfinden oft Langeweile, wenn sie plötzlich mit einem netten Mann zusammen sind: Es gibt kein Feuerwerk, keine Explosionen, und kein Stern fällt vom Himmel. Ohne den gewohnten Pegel an Aufregung fühlen sie sich verwirrt, nervös und unbeholfen. Dieser unangenehme Zustand wird von ihnen dann mit dem

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