Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
nicht wütend zu werden. Hilf mir, dem Verlangen zu widerstehen, von den Novizinnen und vom Leben als MN wegzulaufen. Hilf mir, ihnen so viel Geduld entgegenzubringen, wie du mir entgegenbringst.« Ich ging zum Arzt, der aber der Ansicht war, mir fehle nicht viel, und begann, mich mit Isoniazid-Tabletten zu behandeln, die man zur Tuberkulosebehandlung einsetzt und bei jemandem mit einer Lebererkrankung nicht angewandt werden dürfen, diese wurde am Ende aber bei mir festgestellt. Ich bin mir nicht sicher, ob der Arzt vielleicht dachte, ich hätte mich bei TB-Patienten angesteckt oder sei in Gefahr, mich anzustecken, jedenfalls halfen die Tabletten nicht, und meine Müdigkeit blieb. Nach etwa einer Woche wurde mein Urin schwarz. Schwester Reka, die gutmütige Neuseeländerin, die noch immer in Manila war, stand auf sehr gutem Fuß mit den Ärzten des Santo-Thomas-Krankenhauses und konnte den Bus benutzen, wenn sie Medikamente ausfuhr oder Pakete am Hafen abholte. Ich sammelte etwas Urin und bat sie, mir zu helfen. »Reka, mein Urin sieht aus wie schwarzer Tee. Das kann ich nicht alles in meiner Seele haben. Nimm das und versuch herauszufinden, was mit mir los ist.«
Irgendwie sorgte sie dafür, dass ich für Untersuchungen ins Krankenhaus geschickt wurde. Es war ein weiter Weg, und meine Begleiterin und ich mussten die Jeepneys mehrmals wechseln. Der Arzt machte Bluttests und untersuchte mich, danach fuhren wir wieder nach Hause. Ich war gerade erst zu Hause angekommen, als ein Anruf aus dem Santo Thomas kam. Ich sollte mich sofort ins Bett legen, bis der Lieferwagen mich ins Krankenhaus bringen konnte.
Ich hatte eine schwere Hepatitis und wurde gleich nach meiner Einlieferung gelb. Da ich keine Filipina, sondern eine »Madre« mit einem komischen Schal um den Kopf war, wurde ich auf der Station bald zu einer Kuriosität. Die anderen Patienten fragten mich, warum ich meinen »Hut« nicht abnahm, aber ich glaube, eine fast kahle Madre wäre noch mehr aufgefallen. Da ich mich in einem Lehrkrankenhaus voller Medizinstudenten befand, hatten sie viel Spaß mit meinem Nachnamen, riefen: »Livermores Leber ist kollabiert!«, und erkundigten sich, ob ich Alkohol trank.
Der serologische Test fiel für Hepatitis A und B negativ aus, und Santo Thomas verfügte noch nicht über die Möglichkeiten, auf Hepatitis E zu testen, eine Form der Hepatitis, die man erst Anfang der Achtzigerjahre entdeckt hatte, vor allem in Asien. Wie Hepatitis A wurde sie durch verseuchtes Wasser übertragen. Während der Monsunmonate verunreinigte das faulige Überschwemmungswasser häufig das Trinkwasser von Manila und führte auch noch zu anderen Erkrankungen wie Gastroenteritis und Denguefieber. Hepatitis E befiel vorwiegend junge Erwachsene. Die Symptome waren Gelbsucht, Müdigkeit, Leibschmerzen, Appetitlosigkeit, Schwindel, Erbrechen und Urin in der Farbe von schwarzem Tee.
Nach fünf Tagen entließen die Ärzte mich wieder. Ich fühlte mich gut, durfte aber erst wieder arbeiten, wenn meine Leberfunktionstests normal waren. Und so war ich wegen der unbegründeten Angst einer Ansteckung ans Bett im oberen Schlafsaal des Professenhauses gefesselt, denn der Virus verbreitete sich nicht über die Luft, sondern wenn Abwässer das Trinkwasser verseuchten, wie das
in der Monsunzeit vorkommen konnte. Von meiner Seite reichte einfaches Händewaschen, um die Ansteckungsgefahr zu bannen. Es war schon seltsam, dass ich, als ich mich matt und erschöpft fühlte, Ärger bekam, weil ich mich hinlegte, jetzt aber, da ich mich wieder wohlfühlte, gezwungen wurde, mich auszuruhen. Ich war sehr deprimiert. Ich las Erbauungsbücher und kritisierte und ermahnte mich dazu, den Mut aufzubringen, die Wahrheit auszusprechen und demütig die Schande zu ertragen. Ich schrieb: »Du musst in allem, was du empfindest, wahrhaftig sein, aber du musst in der Gemeinschaft bleiben.«
Nach etwa drei Wochen kehrte ich zu meiner Arbeit im Noviziat zurück und lehrte die jungen Frauen, wie sie MNs wurden, während ich selbst damit kämpfte, eine zu bleiben. Ich glaube nicht, dass ihnen meine Ambivalenz aufgefallen ist. Wenn man uns einfach unsere Arbeit tun ließ, hatten wir eigentlich ein recht glückliches Leben, aber mir fiel auf, dass ich mir angewöhnt hatte, zu erwarten, dass die Leute genau das taten, was ich ihnen sagte, und ich musste mich zurückhalten, die Novizinnen Dinge für mich erledigen zu lassen, die ich selbst tun sollte. Wenn man lange Zeit als Vorgesetzte
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