Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
wir unsere Patienten auf einfache Weise liebevoll versorgen, ihnen zudem aber eine sichere medizinische Behandlung zuteilwerden lassen.
Meine Bewunderung für Schwester Gabrielle war groß, und ich vertraute ihr und ihren Urteilen, weswegen es mir auch schwerfiel, ihre verwirrende Antwort zu akzeptieren. Während ihrer Zeit in Manila hatte sie den Novizinnen alles beigebracht, was sie wusste, um ihnen eine sichere Behandlung der Patienten zu ermöglichen, also verstand sie das Dilemma. Was sie mir schrieb, klang für mich nicht nach der Person, als die ich sie kannte. Ich begreife es noch heute nicht.
Kurz nach meinem Brief an Schwester Gabrielle gab es eine Neuregelung, die besagte, dass an Donnerstagen, wenn die Novizinnen die Professen an ihrem freien Tag ablösten, keine Neuzulassungen im Kinderheim oder im Tahanan
mehr angenommen werden durften. An einem Donnerstag jedoch kam eine Frau, die ein dünnes, krankes Kind in ihren Armen hielt, mit ihrem Ehemann an das Tor unserer Einrichtung und bat um Hilfe. Von dem heftigen Klopfen aufgerüttelt, ließ Schwester Trinity, eine der Novizinnen, sie herein. Der kleine Junge starrte sie teilnahmslos an, und deshalb wusste sie, dass es ihm wirklich schlecht ging und er nicht bis zum morgigen Tag auf Hilfe warten konnte. Sie ging zu der örtlichen Vorgesetzten der Professen.
»Schwester, ich weiß, es ist Donnerstag, aber es wurde ein sehr krankes Kind zu uns ans Tor gebracht …«
»Wie oft muss man euch Novizinnen sagen, dass ihr die Schwestern an ihrem Tag der Sammlung nicht stören sollt?«
»Ja, Schwester«, erwiderte Trinity.
Die Novizin kam daraufhin zu mir in das Tahanan, wo ich den Leichnam eines Mannes wusch, der gerade an Kehlkopfkrebs verstorben war, und bat mich: »Könntest du bitte rüberkommen, Schwester? Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ein sehr kranker Junge, etwa zwei Jahre alt, wurde von seinen Eltern zu uns ans Tor gebracht. Er fiebert, und sein Atem geht schnell. Ich fürchte, er könnte sterben, wenn wir ihn wegschicken. Ich habe bei den Professen angefragt, aber die dürfen nicht gestört werden, weil Donnerstag ist. Die Familie wartet neben der Apotheke.«
Ich deckte den Leichnam des Mannes ab, wusch mir die Hände und ging die fünfzig Meter zu den Eltern des Jungen. Es befanden sich auch noch viele andere Menschen auf dem Gelände, die vor der Apotheke Schlange standen. Das Kind war teilnahmslos, seine Haut heiß. »Schwester«, fehte sein Vater mich an, »wir haben kein Geld für Medizin.
Das Krankenhaus hat sich geweigert, ihn zu behandeln. Bitte helfen Sie uns.« Wenn in damaliger Zeit das Krankenhauspersonal in Manila die Überlebenschancen eines Patienten für gering einschätzte, verweigerte es die Aufnahme, vor allem bei Leuten, die »bedürftig« waren und die Behandlung nicht bezahlen konnten.
»Aber ja, natürlich. Wir werden unser Bestes tun, aber Ihr Sohn sieht sehr krank aus. Wie heißt er denn?«
»Er heißt Alex«, sagte er mit Tränen in den Augen. »Wir haben versucht, ihm zu helfen, aber sein Zustand verschlimmert sich immer mehr.«
Die Sonne brannte vom Himmel, also zogen wir uns in den Schatten neben dem Kinderheim zurück. In diesem Moment kam die örtliche Vorgesetzte der Professengemeinschaft, Schwester Valerie, aus dem Kloster und auf uns zugestürmt. Unser Gespräch fand auf Englisch statt und war deshalb unverständlich für die Eltern des Kindes.
»Was machst du hier, Tobit? Musst du dich denn immer in Angelegenheiten einmischen, die dich nichts angehen? Geh zurück in das Tahanan.«
»Schwester, es ist meine Pflicht, den Novizinnen zu helfen. Sie können nicht die volle Verantwortung für ihre Arbeit übernehmen, und die Professen dürfen, wie du selbst gesagt hast, nicht gestört werden.«
»Kehre in das Tahanan zurück«, wiederholte sie ihren Befehl mit erhobener Stimme.
»Und was wird aus dem Kind?«
»Heute wird niemand aufgenommen. Das habe ich wiederholt gesagt. Warum kannst du nicht einfach akzeptieren, dass wir nicht jedem helfen können?«
»Diesem Kind muss aber geholfen werden, und das Krankenhaus nimmt es nicht. Wir haben Platz. Es wird die Schwestern nicht stören. Die Novizinnen und ich werden bis morgen alles für ihn tun, was nötig ist.«
»Das geht dich nichts an. Du vernachlässigst deine eigene Arbeit und mischst dich in Dinge ein, die nichts mit dir zu tun haben. Das Kind kann heute nicht zu uns kommen.«
Da wären wir also wieder, sagte ich mir. Mein Herz pochte. Als
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