Wenn heiße Wuensche erwachen
beinah das Knistern der Stromleitungen nicht mitbekommen. Plötzlich lag die gesamte Ranch im Dunkeln. Vermutlich hatte der Blitz einen Transformator getroffen.
Es war spät. Alle anderen in der Schlafbaracke schliefen tief und fest. Niemand würde den Stromausfall bemerken.
Doch dann entdeckte sie das Licht einer Laterne hinter dem Stall. Jemand war wach und schaute nach den Pferden.
Lyndie stand vom Schaukelstuhl auf und zog ihren Regenmantel über. Ein Spaziergang zum Stall würde ihr helfen, einen klaren Kopf zu bekommen. Sie könnte auch nach Girlie sehen. Zweifellos hatte das Pferd immer noch Angst.
Als sie näher kam, wurde die Stalltür geöffnet und wieder geschlossen. Im Regen konnte sie nicht erkennen, wer dort war. Insgeheim hoffte sie, dass es Justin war. Mit ihm kam sie viel leichter zurecht.
Sie schlüpfte in den Stall, schloss die Brettertür hinter sich und trat in den gelben Lichtschein der Laterne.
Die Silhouette eines Mannes richtete sich auf. Er war groß und muskulös und trug den Stetson tief ins Gesicht gezogen.
„Konntest du nicht schlafen?” fragte Bruce.
Sie schüttelte den Kopf und kam näher. „Ich wollte mal nach Girlie sehen. Ich habe mir bei dem Unwetter Sorgen um sie gemacht.”
Er hob die Laterne und betrachtete sie im flackernden Licht. „Gute Idee. Du könntest die Laterne halten, damit ich ihren Hinterlauf befreien kann, den sie sich zwischen den Brettern eingeklemmt hat, gegen die sie getreten hat.”
„Ist sie verletzt?” Lyndies Herz schlug schneller.
„Vielleicht ein bisschen wund, wenn ich sie befreien kann. Allerdings wäre es schlimm, wenn sie sich die Fessel gebrochen hat bei dem Versuch, sich selbst zu befreien.”
„Oh nein!” Lyndie schlug die Hand vor den Mund.
„Willst du helfen?” Er hielt ihr die Laterne hin.
„Ja, natürlich will ich helfen”, versicherte sie eilig. Sie nahm die Laterne und begleitete ihn zu Girlies Box.
Die Stute stand in der Ecke ihrer Box, den rechten Hinterlauf in der Bretterwand eingeklemmt. Bei jedem neuen Blitz warf das Tier wild den Kopf hin und her und versuchte sich zu befreien.
„Sprich mit ihr”, forderte Bruce Lyndie auf. „Versuch sie zu beruhigen, während ich mich um ihr Bein kümmere.”
Sie nickte und begann leise auf das verängstigte Pferd einzusprechen, wobei sie gleichzeitig seinen schweißbedeckten Hals streichelte.
„Braves Mädchen”, murmelte Bruce, und Lyndie fragte sich, ob er sie oder Girlie meinte.
„Ruhig … ganz ruhig.” Er nahm den Hinterlauf so, wie ein Hufschmied ihn beim Beschlagen festhielt. Dann tastete er sich ihr Bein entlang zu dem dunklen Loch vor, das sie in die Wand geschlagen hatte.
„Möglicherweise springt sie gleich. Pass also auf”, warnte er Lyndie.
Sie sagte nichts. Er brauchte Licht, und sie war entschlossen, ihre Aufgabe zu bewältigen und die Laterne zu halten.
„Halt mit einer Hand ihr Halfter fest. Auf diese Weise lenkst du sie vielleicht ein wenig ab.”
Sie tat, was er sagte. Girlie schien sich sofort zu beruhigen, sobald Lyndie wieder mit ihr sprach.
Bruce nahm ein Stemmeisen und brach das Brett los, das ihren Lauf einklemmte.
Das laute Krachen erschreckte Girlie so sehr, dass sie einen Satz nach vorn machte. Im gleichen Moment bekam Bruce ihr Bein ganz frei.
„Sie steht nicht auf dem Lauf, aber ich kann auch kein Blut erkennen”, erklärte Lyndie und hoffte inständig, dass dem schönen Tier nichts Ernstliches fehlte.
Bruce massierte Girlie ausgiebig den Hinterlauf und streichelte ihr Bein.
Lyndie beobachtete ihn, fasziniert von dem Kontrast aus Kraft und Sanftheit. Es war deutlich spürbar, wie Girlie die Berührung genoss. Lyndie dachte daran, wie diese wundervollen Hände sich an jenem Abend an der Mühle auf ihrer Haut angefühlt hatten.
Ja, dieser Mann war gefährlich …
Lyndie nahm sich zusammen und trat einen Schritt zurück, damit er Girlie am Halfter aus der Box führen konnte.
„Ihr fehlt nichts!” rief Lyndie begeistert, als sie sah, dass das Tier das Bein wieder belastete.
„Morgen wird sie vermutlich ein wenig Schmerzen haben. Du kannst ein anderes Pferd nehmen, falls wir den Bergpfad hinaufreiten. Aber dem Wetterbericht nach zu urteilen, reitet morgen niemand irgendwohin.” Er rieb Girlies Nase mit den Fingerknöcheln.
„Du blutest”, stellte Lyndie fest.
Er betrachtete seine Hand und den roten Fleck auf Girlies Nüstern. „Das ist nichts. Nur ein paar Kratzer von dem zersplitterten Brett.”
„Hast du
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