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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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Dara war ohne ein Wort losgestürmt.
    Sie hielt sich am Tresen fest.
    »Angel«, keuchte sie atemlos. »Meine Schwester. Angela Flood. Bitte.«
    »Stellen Sie sich hinten an«, befahl die Angestellte und deutete auf die Leute in der Schlange, die Dara mit gerunzelter Stirn beäugten.
    »Bitte«, flehte Dara. »Ich glaube, es ist etwas passiert. Könnten Sie bitte mal in Ihrem Computer nachsehen?«
    »Nun helfen Sie ihr doch«, ertönte eine ältere Stimme aus der Schlange. »Das arme Mädel ist ja total durch den Wind.«
    Dara drehte sich nicht nach ihrem Fürsprecher um.
    Die Frau hinter dem Schalter seufzte, dann begann sie entnervt auf ihrer Tastatur herumzuhacken. »Angela Flood«, murmelte sie.
    Dara umklammerte die Kante mit eisernem Griff. Es kam ihr so vor, als hätte die Welt aufgehört, sich zu drehen, und wenn sie losließ, würde sie davonschweben wie ein Luftballon, dem ein kleines Mädchen auf einem Jahrmarkt weinend hinterhersieht, während er immer kleiner wird. Dara hielt sich fest.
    »Ah ja. Angela Flood. Sie ist auf der Intensivstation«, sagte die Frau hinter dem Schalter. Ihr Tonfall hatte sich kein bisschen verändert, als hätte sich Dara nach dem Weg zur Cafeteria erkundigt.
    »Auf der Intensivstation«, wiederholte Dara matt und kam sich dumm vor.
    »Zweite Etage«, sagte die Frau kühl. »Wenn Sie aus dem Lift kommen …«
    Dara ließ die Tischkante los. Sie schwebte nicht davon. Sie verschwand auch nicht. Sie drehte sich um und hastete los, schlängelte sich zwischen den Horden von Menschen durch, hätte sie am liebsten angeschrien, damit sie ihr aus dem Weg gingen. Wie konnten sie hier so seelenruhig herumstehen, wo Angel doch auf der Intensivstation lag? Sie rannte weiter, am Aufzug vorbei, hetzte die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Sie rang nach Luft, spürte das Brennen in ihrer Brust, als sie in den Korridor bog. Der abgestandene Krankenhausgeruch erinnerte sie an vorhin. An den stillen, düsteren Korridor im Hospiz, dem sie hatte folgen müssen, zu einem Raum, den sie lieber nicht betreten hätte.



77
    Als Erstes sah sie ihre Mutter, die vor der Flügeltür zur Intensivstation saß. Dara blieb stehen und betrachtete sie, die Hände auf den Mund gepresst, als wollte sie einen Laut zurückhalten, den sie noch gar nicht von sich gegeben hatte.
    »Dara!« Mrs. Flood sprang auf und lief auf sie zu. Dara versuchte, in ihrem Gesicht zu lesen, konnte sie aber nur verschwommen sehen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie weinte.
    Mrs. Flood blieb vor ihr stehen und öffnete den Mund, doch dann überlegte sie es sich anders und umarmte Dara. Sie tröstete und wiegte sie, genau wie damals, als Dara zehn Jahre alt gewesen war.
    »Ganz ruhig, Liebes. Nicht weinen. Alles wird gut.«
    Das und noch mehr murmelte Mrs. Flood, während sie Dara an sich drückte. Dara ließ es geschehen, wehrte sich nicht gegen die Arme, die sie umfingen wie die Flammen einen Holzklotz im Feuer. Erst als sie etwas auf ihren Hals tropfen spürte, wurde ihr klar, dass auch ihre Mutter weinte. Dara rührte sich nicht vom Fleck. Sie umklammerte sie, wollte sie nie wieder loslassen, genau wie nach ihrem Sturz in die Brennnesseln vor siebzehn Jahren.
    »Was ist passiert?«, fragte sie schließlich mit gedämpfter Stimme, das Gesicht in den weichen Baumwollpulli ihrer Mutter geschmiegt. Sie wagte es nicht, ihr ins Gesicht zu sehen.
    Mrs. Flood machte sich von ihr los und hielt sie auf Armeslänge
von sich entfernt. Sie lächelte. »Angel ist gerade aus dem OP gekommen.«
    Dara musterte sie verständnislos.
    Mrs. Flood ergriff lächelnd ihre Hand. »Sie haben angerufen«, sagte sie.



NACHWORT
    Ich bin weit genug unten, um die Stimmen zu hören. Manchmal gelingt mir das.
    »Du kannst unmöglich Orange tragen«, sagt Tintin. »Das ist respektlos.«
    »Äs ist keinä Beerdigung, sondern ein Monatsgedächtnis«, sagt Anya. »Was auch immär das bedeutet.«
    »Es bedeutet, dass die Beerdigung jetzt einen Monat her ist und dass es dem Toten auf ewig im Gedächtnis bleiben wird, wenn du ein leuchtend orangefarbenes Kleid und eine lila Federboa trägst. Und mit diesen Stöckeln wirst du auf dem Friedhof nicht weit kommen. Damit versinkst du im Kies.«
    »Abär die sind von Manolo.« Anya betrachtet bewundernd ihre Schuhe.
    »Und?«
    »Was und?«
    »Was willst du mir damit sagen?«
    »Dass sie ätwas Besonderes sind.« Anya seufzt. »Man soll zu einem Monatsgedächtnis doch ätwas Besonderes tragen.«
    »Du weißt

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