Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry
nicht..., es scheint eher der Magen zu sein“, erwiderte Patrick und preßte unwillkürlich beide Hände auf den Unterleib. „Ich glaube, ich muß brechen.“ Patrick schaute Miß Ipswich an. „Bitte, wo ist hier die Toilette?“
Rose machte eine bezeichnende Bewegung mit dem Daumen. Sie sagte: „Hier, gleich nebenan.“
Patrick verschwand. Man hörte, wie er mehrere Male die Wasserspülung betätigte.
Morry sagte mit fragendem Blick zu Rose: „Merkwürdig, ganz merkwürdig! Mein Assistent Sullivan ist ein kerngesunder junger Mann —“
Rose erwiderte gelassen: „Vielleicht hat er was Unrechtes gegessen.“ „Schon möglich. Mal sehen, wie er sich nach der Magenentleerung fühlt.“
„Vielleicht sollte ich ihm rasch einen heißen Tee zurechtmachen?“ erbot sich die Haushälterin. Sie senkte errötend den Kopf und fügte hinzu: „Abführtee...“
Patrick erschien wieder. Er war kreidebleich im Gesicht.
„Man muß mir den Magen auspumpen, Kommissar“, keuchte er. „Mir und Miß Ipswich auch.“
„Warum denn auch mir, um Gottes willen?“ fragte Rose erschreckt und trat unwillkürlich einen halben Schritt zurück.
„Der Whisky“, sagte Patrick. „Ich möchte wetten, daß er vergiftet ist!“
Auf seiner Stirn standen Schweißtropfen. Und schweratmend bat er Morry: „Beachten Sie die Parfümflakons da oben in Mrs. Cumberlands Schlafzimmer; die müssen sofort beschlagnahmt werden. Sie enthalten Whisky; es sollte mich nicht überraschen, wenn das Zeug vergiftet ist.“
*
Im Salon klingelte das Telefon. Miß Ipswich wollte losstürmen, um den Anruf entgegenzunehmen, aber der Kommissar hielt sie zurück. Er sagte in einem! Ton, der keinen Widerspruch duldete: „Augenblick! Lassen Sie mich das erledigen.“ Er marschierte in den Salon und nahm den Hörer ab.
„Hier bei Mrs. Cumberland“, meldete er sich. Einige Sekunden war es völlig still in der Leitung, dann sagte eine männliche, sehr geziert klingende und offenkundig verstellte Stimme: „Sind Sie es, der leitende Kriminalbeamte?“
„Ja, hier Kommissar Morry. Wer spricht dort?“
„Ein Freund“, behauptete die Stimme. „Ein guter Freund. Mein Gewissen treibt mich, Sie zu informieren.“
„Sagen Sie mir bitte Ihren Namen.“
„Nein, besser nicht“, sagte die Stimme maliziös. „Warum sollte ich? Die Polizei wird wohl auch an anonymen Hinweisen interessiert sein, wenn sie ungeheuer wichtig sind, vermute ich. — Stimmt’s?“
Morry ignorierte die Frage. Er sagte knapp: „Was kann ich für Sie tun?“
„Nichts, Kommissar. Absolut nichts. Im Gegenteil: ich möchte etwas für Sie tun. Vorhin bemerkte ich rein zufällig, daß Sie das Haus in der Ogden Street betraten, und ich wußte sofort, daß die Polizei endlich etwas gemerkt hat. Vielleicht hätte ich schon früher anrufen sollen, aber ich gehöre zu den Leuten, die den Behörden keine übermäßig große Sympathie entgegenbringen.“
„Hören Sie“, erwiderte der Kommissar ruhig, „entweder Sie kommen jetzt Ihrer ungeheuren Ankündigung nach oder ich betrachte das Gespräch als beendet.“
„Ich bezweifle, ob Sie so töricht sein werden, die Drohung wahr zu machen. Ich kann Ihnen nämlich eine Menge Dinge erzählen, die bei der Aufklärung des Verbrechens im Hause Nr. 13 von großer Bedeutung sind —“
„Schießen Sie los!“
„Beginnen wir also mit dem Wichtigsten, nämlich mit Miß Ipswich. Sie ist eine Mörderin, Kommissar! Ich rate Ihnen dringend: verhaften Sie sie auf der Stelle, bevor sie Ihnen entwischt!“
Morry warf unwillkürlich einen Blick in Richtung der Tür. Dort stand Rose Ipswich. Sie hatte die abgearbeiteten, etwas knochigen Hände unterhalb der flachen Brust wie eine Heilige übereinandergelegt. Sie hielt den Kopf leicht gesenkt und sah gleichermaßen depremiert und schicksalergeben aus. Die stechenden Augen hinter den dunklen Brillengläsern jedoch ließen ihn keine Sekunde los.
„Was Sie nicht sagen“, erwiderte Morry kühl. „Ich nehme an, Sie können diese Behauptung beweisen?“
„Nehmen Sie zur Kenntnis, Kommissar: Rose Ipswich hat Mrs. Cumberland, die in Wahrheit ein Mann war, getötet. Sie hat ihn im Keller in einem Schrank versteckt.“
„Hm — interessant. Und woher wissen Sie das so genau?“
„Ich weiß es eben, Kommissar! Ich habe jetzt zu langatmigen Erklärungen keine Zeit. Ich will Sie nur mit den wichtigsten Fakten vertraut machen. Es geht im Moment nicht anders. Sie verstehen —?“
„Ja, ja,
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