Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry
Maskenbildner und Schauspieler und zugleich ein Mordgeselle gewesen?“
Patrick ergänzte die Frage des Kommissars. Er sagte: „Da genügt ja nicht nur eine billige Imitation schlechthin! Um einem Menschen zum Verwechseln ähnlich zu werden, muß man ihn jahrelang beobachten und studieren. Sie selbst aber geben zu, daß Mrs. Cumberland keinerlei gesellschaftlichen Verkehr pflegte und auch sonst keine Freunde hatte.“
Miß Ipswich hatte die Stirn in Falten gelegt. „Nun, da haben Sie wohl recht“, gab sie nach kurzem Nachdenken zu. „Meine Augen sind nicht mehr die besten, aber so ein Wechsel im ganzen Gehabe eines Menschen wäre wohl auch mir nicht entgangen.“
„Eine Schwester hat Mrs. Cumberland doch wohl nicht?“ fragte Morry.
„Nein, Sir.“
Patrick fragte: „Wäre es nicht möglich, daß es sich bei der Ehe zwischen den beiden Cumberlands nur um ein Scheinmanöver gehandelt hat? Halten Sie es nicht für denkbar, daß zwischen den beiden der ,Ehevertrag1 nur geschlossen wurde, um ein düsteres Geheimnis zu verbergen? Kann es nicht sein, daß hier zwei Männer die Welt zum1 Narren hielten? Immerhin besteht die Möglichkeit, daß ein Gewaltverbrecher, der sich den Nachstellungen der Polizei entziehen wollte, Mr. Cumberland so fest in der Hand hatte, daß der Diamantenhändler gezwungen war, den Erpressungen dieses Verbrechers nachzugeben.“
„Ich fürchte, jetzt geht die Phantasie mit Ihnen durch, Patrick“, meinte Morry.
Der Assistent gab nicht auf. Er argumentierte: „Ich meine, hier wäre zu bedenken: Als der alte Cumberland gestorben war, ging Mrs. Cumberland nicht mehr aus dem Haus. Was beweist das? Der Mann, der sich hinter diesem Namen verbarg, fürchtete sich vielleicht noch immer...“
„Wovor?“
„Das weiß ich nicht. Es ist überhaupt sehr fraglich, ob es uns gelingen wird, dieses jahrzehntealte Geheimnis zu lüften.“
„Wenn es ein solches Geheimnis gibt, werden wir ihm auf die Spur kommen“, versprach Morry grimmig.
Miß Ipswich bewegte die blassen Lippen. „Unvorstellbar!“ murmelte sie. „Ich soll die ganzen Jahre hindurch mit einem Mann in Frauenkleidern zusammengelebt haben?“
„Denken Sie doch einmal nach“, rief Morry. „Haben Sie Mrs. Cumberland gelegentlich beim Baden oder Ankleiden geholfen? Gab es Anzeichen dafür, daß...“
„Stop!“ unterbrach Miß Ipswich errötend. „Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Nun, Mrs. Cumberland war in diesen Punkten sehr eigen. Sie hat mich nie als Zofe benutzt, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Morry winkte. „Mrs. Cumberlands Eigenheit war im Grunde genommen vielleicht nichts anderes als die Furcht, Sie könnten ihr Geheimnis entdecken.“
„Sein Geheimnis“, korrigierte Patrick.
„Es fällt mir schwer, mit der Situation fertig zu werden“, stöhnte Miß Ipswich.
Patrick schnippte mit den Fingern. „Vielleicht war es sogar Mr. Cumberland, der sich hinter den Kleidern seiner Frau verbarg!“ mutmaßte er. „Es kann ja Gründe gegeben haben, die sein offizielles Abtreten von der Lebensbühne als geraten erscheinen ließen...“
Miß Ipswich unterbrach Patrick gereizt. „Sie haben Mr. Cumberland nicht gekannt, Sir, sonst würden Sie anders sprechen. Er war ein kleiner, fetter Mensch, der beständig an Asthma litt. Er konnte nicht atmen, ohne laut dabei zu schnaufen. Ich habe ihn auf dem Totenbett gesehen. Er war, wie sich Mr. Dickens auszudrücken beliebte, so tot wie ein Türnagel.“
„Ich glaube, wir müssen ein wenig gründlicher auf den Rat von Miß Ipswich achten“, riet Morry. „Sie rückt die Dinge womöglich ins rechte licht.“
Miß Rose blickte Patrick triumphierend an. Sie sagte: „Ihre törichte Theorie läßt die Frage nach dem Verbleib von Mrs. Cumberland offen!“
Patrick grinste von einem Ohr bis zum anderen und sagte: „Na, Sie könnten doch zum Beispiel Mrs. Cumberland sein!“
Miß Ipswich schluckte. „Das geht zu weit!“ rief sie. „Das geht einfach zu weit!“
Morry beruhigte sie. „Wir unterhalten uns doch nur über eine Reihe von Möglichkeiten! Mister Sullivan hat nun einmal die Pflicht, Kombinationen anzustellen, besonders in derart verwickelten Fällen wie hier in diesem Hause.“
„Na, meine Herren, eines steht für mich fest“, meinte Rose. „Ich ziehe noch heute aus. Ich kriege eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke, daß ich mit einem Toten im gleichen Hause schlief!“
„Sie haben vorhin vernommen, was unser Doktor über das Testament der guten
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