Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry
weiter!“
„Also: Miß Ipswich hat ihre Herrschaft, die eigentlichen Cumberlands, schon vor vielen Jahren umgebracht. Sie hat dann ihren Geliebten in die Kleider der Mrs. Cumberland gesteckt und wohnte bis vor kurzem mit ihm zusammen. In letzter Zeit, genauer vor zwei Jahren, begann ihr Geliebter die entwürdigenden Fesseln, die sie ihm aufgezwungen hatte, abzustreifen. Er ging häufig auf Reisen. Im Koffer führte er Männerkleidung bei sich, weil er endlich wieder das Leben eines normalen Mannes führen wollte und weil Miß Ipswich inzwischen sozusagen abgestumpft und reizlos geworden war. Kurz und gut, er war häufiger unterwegs als daheim in der Ogden Street. Sie begriff endlich, daß sie ihn verloren hatte. Da der gute Mann zu trinken begann, mußte sie fürchten, daß er eines Tages im Rausch ihr schreckliches Geheimnis ausplaudern würde. Darum vergiftete sie ihn. Ist das logisch?“
„Vielleicht“, räumte Morry ein. „Wer war denn der Mann?“
„Ihr Geliebter.“
„Antworten Sie vernünftig“, ermahnte der Kommissar. „Sie wissen genau, worauf ich hinaus will. Wie also hieß der Mann?“
„Tut mir leid, Kommissar“, seufzte der unbekannte Anrufer. „Darüber wird Ihnen Miß Ipswich Auskunft geben können. Aber rechnen Sie nicht damit, daß sie sofort klein beigibt. Sie ist eine hoch intelligente Frau. Tja, das ist eigentlich alles, was ich Ihnen zunächst zu sagen habe. Sie werden zugeben, daß Sie nunmehr eine solide Arbeitsbasis für Ihr weiteres Vorgehen haben. Die einhelligen Beweise für diesen sonderbaren Tatbestand können Ihnen nicht einfach zugeflüstert werden. Darum müssen Sie sich schon selber bemühen.“
Es klickte. Der Teilnehmer hatte abrupt aufgelegt.
„War es etwas Wichtiges“, erkundigte sich Rose Ipswich von der Tür her.
„Wie man’s nimmt“, versetzte Morry nachdenklich. „Warten wir ab.“
Er verließ das Zimmer. In der Halle standen zwei Beamte seines Kommissariats, debattierten eifrig und rauchten wie die Schlote. Der Zigarettenrauch milderte die Düfte der Desinfektions-Chemikalien.
„He, Lark, besorgen Sie mir bitte sofort einen größeren Karton und kommen Sie mit in die erste Etage“, befahl Morry. „Und Sie, Dankworth, kommen bitte gleich mal mit nach oben!“
Rose Ipswich kletterte hinter den beiden Männern die Treppe hinauf und murrte gekränkt: „Einen Karton hätte ich Ihnen doch heraussuchen können!“
„Schon gut“, wehrte Morry ab. Und als sie im ersten Stockwerk angelangt waren, fragte er: „Wo ist das Schlafzimmer von Mrs. Cumberland?“
„Die Tür gleich rechts von Ihnen“, sagte Rose.
Morry und Dankworth traten ein. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf den Toilettentisch.
„Tolle Auswahl“, meinte Morry und studierte das Etikett einer Flasche.
„Ich war entsetzt, als Mr. Sullivan entdeckte, was sich in den Flakons befindet“, versicherte Rose echauffiert.
„Wie fühlen Sie sich denn jetzt, Miß Ipswich“, fragte Morry.
„Warum fragen Sie?“
„Na hören Sie —“ Morry schüttelte verwundert den Kopf. „Sie wissen doch, was Mr. Sullivan sagte.“
„Ach. was — Magen auspumpen lassen!“ antwortete Rose brüsk. „Unsinn, ich bin wieder bestens auf der Höhe!“
„Na großartig! Haben Sie denn nicht aus der gleichen Flasche getrunken wie Mr. Sullivan?“
„Aus der gleichen? War das die gleiche —?“ Rose überlegte einige Atemzüge lang und erklärte: „Das weiß ich nicht genau.“
„Überlegen Sie mal.“
„Hm“, machte sie und legte einen Finger an die Lippen. „Nein..., ich glaube, es war eine andere Flasche. Ja, jetzt erinnere ich mich, daß ich nicht die gleiche Flasche benutzen wollte wie er.“ Sie wurde merklich rot. „Schließlich hatte er die Flasche doch kurz vorher mit dem Mund berührt.“
„Verstehe“, sagte Morry. „Zufällig erwischten Sie eine Flasche, deren Inhalt nicht vergiftet ist. War es wirklich ein Zufall?“
„Ob es wirklich...“ Rose stockte. Sie maß Morry von Kopf bis Fuß und hauchte: „Ich kann Ihnen nicht ganz folgen, Kommissar.“
„Sie sind doch sonst nicht so schwer von Begriff, Miß Ipswich!“
Miß Ipswich lief jetzt krebsrot an. Ihre dürren Glieder zitterten. „Was soll das Gefrage heißen?“ rief sie empört. „Ich wußte ja nicht einmal, daß sich Whisky in den Flaschen befindet!“
Die Tür öffnete sich, und Lark kam mit einem Karton herein.
„Bitte, alles einpacken, das ganze Zeug da“, befahl Morry und deutete auf die
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