Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry
Alten war nicht mehr spürbar. Der Mann war tot.
*
„Hier ist eine Tasse Tee für Sie, Miß“, sagte Sergeant Bowlers und verzog sein Gesicht zu einem halb verlegenen und halb wohlmeinenden Grinsen. „Wird Ihnen guttun.“
„Vielen Dank“, erwiderte Jamie und nahm die dicke Steinguttasse entgegen. Sie saß auf einem steiflehnigen, unbequemen Holzstuhl. Wenn sie aus dem Fenster blickte, konnte sie die zahlreichen Menschen sehen, die sich neugierig auf der Straße zusammendrängten. Der Mord an dem alten Mann hatte sich in Windeseile herumgesprochen.
„Das ist für Sie, Sir“, äußerte der Sergeant respektvoll und reichte Patrick, der mit verschränkten Armen an der hölzernen Barriere lehnte, ebenfalls eine Tasse.
„Nett von Ihnen, Sergeant“, bedankte sich Patrick und schnupperte an dem dampfenden Getränk. Dann nahm er einen Schluck und nickte befriedigt mit dem Kopf.
Der Sergeant ging hinter die Barriere und setzte sich an den alten Schreibtisch. Er nahm einen Paß in die Hand und blätterte darin.
„Bertram Knight“, buchstabierte er. „Fotograf. Hm. Der Kerl sieht wirklich nicht wie ein Fotograf aus.“
„Der Paß ist ohne Zweifel echt“, erwiderte Patrick und stellte die Tasse ab.
„Ich bin sicher, daß der Mann noch niemals hier in Brickford war“, meinte Bowlers. „Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, sein Gesicht schon gesehen zu haben.“
Patrick starrte auf das Telefon. Er erwartete den einen oder den anderen Anruf. Die Gendarmerie hatte alle Zufahrtsstraßen gesperrt und kontrollierte jedes Fahrzeug, das die Kontrollpunkte erreichte. Polizisten aus dem nahen Brighton durchsuchten das Gehölz oberhalb des Steinbruchs. Und Londons Polizei bemühte sich herauszufinden, wer Bertram Knight war und ob er im Strafregister stand. Im Jackett des Toten hatte sich eine Brieftasche mit sieben Pfund und acht Schilling sowie dem gültigen Reisepaß gefunden. Nach dem Schuß hatte Patrick Jamie ins Dorf geschickt, während er selbst ihren Feuerschutz übernommen hatte.
Die Polizei — sie bestand in Brickford nur aus zwei Deuten — hatte Knight abgeholt. Der Tote lag jetzt in einem Nebenzimmer der Polizeistation. Patrick hatte sofort alle notwendigen Maßnahmen angeordnet und wartete nun auf Morry, der zugesagt hatte, persönlich nach Brickford zu kommen.
„Lassen Sie uns über Marlowe sprechen“, sagte Patrick und wandte sich dem Sergeanten zu. „Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?“
„Das liegt schon ein paar Wochen zurück, Sir.“
„Sie sagten vorhin, er sei in den letzten Jahren häufig unterwegs gewesen. Ist Ihnen bekannt, wo er sich während seiner Abwesenheit von Brickford aufhielt?“
„Er erwähnte einmal, daß er bei einem Londoner Bildhauer Gelegenheitsarbeiten ausführen würde.“
Jamie schaltete sich ein. „Mein Stiefvater ist sehr geschickt; er hat lange Zeit bei einem Steinmetz gearbeitet. Es gab Leute, die behaupteten, er habe das Zeug zu einem großen Bildhauer.“
„Ja“, bestätigte der Polizist. „Einige der Grabfiguren auf unserem Friedhof stammen von dem alten Marlowe. Er war wirklich fast so etwas wie ein Künstler. Die Leute achteten seine Fähigkeiten, aber er gehörte nie so recht zur Dorfgemeinschaft. Er war ein Außenseiter der Gesellschaft.“
Patrick prüfte noch einmal die Briefe, die er in Knights Sakkotasche gefunden hatte und die an Marlowe adressiert waren. Es befanden sich die zwei Schreiben von Jamie Page darunter, einige belanglose Drucksachen, und eine Rechnung des Dorfkrämers. Patrick pfiff durch die Zähne, als er auf der Rechnung einen Posten von fünf Flaschen Whisky entdeckte.
„Der gute Marlowe scheint einen guten Tropfen geschätzt zu haben“, bemerkte er.
„Er soff, mit Verlaub zu sagen, für drei“, meinte der Sergeant. „Je mehr er trank, desto nüchterner wurde er. Nur sein Gang wurde seltsam steif. Er schwankte nie. Marlowe konnte erstaunlich viel vertragen.“
„Verbinden Sie mich bitte mit dem Krämer“, sagte Patrick.
„Sofort, Sir“, erwiderte der Sergeant und stellte die gewünschte Verbindung her.
Nachdem Patrick dem Händler erklärt hatte, worum es sich bei dem Anruf handelte, fragte er, ob von den Rechnungen, die Marlowe erhalten hatte, noch Abschriften existierten.
„Gewiß, Sir“, antwortete der Krämer.
„Wieviel Flaschen Whisky hat Mr. Marlowe im Durchschnitt gekauft?“
„Na, so drei in der Woche, manchmal auch ein paar mehr“, lautete die Erwiderung. „Es hing
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