Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

…“ Ja, wie sehr sie das begriffen hatte. Dieses „Spiel“ forderte Menschenleben. Leben von Menschen, die sie liebte. Ihr eigenes Leben. Ihr war mehr als bewusst, dass diese Situation aus bitterem Ernst bestand. „Nachdem du weg warst, bin ich mit einem Mal schrecklich müde geworden – aber ich hatte das Gefühl, dass es sicher war, die Augen zu schließen und zu schlafen. Ich hatte recht. Es war sicher. Weil Hekate dafür gesorgt hat. Sie hat mir durch dieses Gefühl vermittelt, dass ich sicher war – und ich habe diesem Gefühl glücklicherweise vertraut.“
„Du hättest dich irren können. Du hättest getäuscht werden können. Du hättest …“
„Das hätte ich“, unterbrach sie ihn. „Aber hast du mir nicht einmal gesagt, dass ich meinem Gefühl trauen soll? Dass ich wissen würde, welches richtig und welches falsch sei?“
Er öffnete den Mund, gab jedoch kein Wort von sich.
„Was hat Hekate dir mitgeteilt?“, fragte Marah in das laute Schweigen hinein. „Weißt du nun, was du tun musst? Was deine Aufgabe ist?“
„Ich weiß, wo ich hin muss.“
„Wo du
hin musst?“
, fragte Jonathan skeptisch.
„Ja, wo ich hin muss. In die Sensatenwelt. Zum Ursprungsgrund.“
Nikolajs Augen weiteten sich leicht, ehe er ungläubig den Kopf schüttelte. „Das ist Wahnsinn. Das kannst du vergessen.“
„Da gebe ich dem Sensaten ausnahmsweise mal recht“, sagte Jonathan. „Da draußen sind“, er sah aus dem Fenster, „zwölf von den Typen. Und du sollst dich in die Mitte von – wie vielen – Sensaten begeben? In eine Welt, wo du dich nicht auskennst? Wo es kein Versteck, keinen sicheren Ort gibt?“
„Ich muss dorthin“, beharrte sie. Auch, wenn sie selbst kein gutes Gefühl dabei hatte, abermals in die dunkle und tote Welt zurückzukehren, in die Nikolaj sie einst gebracht hatte. Doch das würde sie nicht laut aussprechen. Niemand von den dreien würde ihr dabei helfen, ihrem Entschluss treu zu bleiben, Hekates Bitte nachzukommen. Sie selbst war die Einzige, die sich Standfestigkeit geben konnte – und musste.
„Und dann?“, hakte Jonathan nach einigen Momenten nach. „Was sollst du dort tun?“
Sie sah ihn an, entgegnete jedoch nichts. Wenn sie nun noch damit herausrückte, dass sie ein Opfer bringen sollte, würden sie allesamt versuchen sie abzuhalten, so viel stand fest. Wenn schon allein die Tatsache die Sensatenwelt aufzusuchen eine derartige Reaktion hervorrief, dann würden sie sie niemals gehen lassen, wenn sie noch mehr wussten. Doch sie konnte überhaupt nur dann „gehen“, wenn Nikolaj sie dorthin brachte. Wenn er ein Portal öffnete. Wenn er sie an den Ort brachte, den sie aufsuchen musste. Sie brauchte Nikolaj. Ob er wollte oder nicht: Er musste sie an den richtigen Ort führen. Sie musste ihn dazu bringen, „zu wollen“. Es gab keine andere Möglichkeit. Keinen anderen Weg – in doppeltem Sinne.
„Was ist am Ursprungsort, was hier nicht ist? Warum sollst du ausgerechnet dorthin? Was sollst du dort tun?“ Nikolaj sprach mit fester Stimme.
„Lilith hat ihren Zauber in unserer Welt gesprochen, doch er hat in beiden Welten, in seiner Schöpfungs- und Ausdruckwelt, einen magischen Abdruck hinterlassen“, erklärte sie, Hekates Worte erneut in sich hörend. „Gesprochen auf Boden unserer Welt muss der Zauber an seinem Spiegelbild, dem magischen Abdrucksort in der Sensatenwelt, aufgehoben werden.“
„
Aufgehoben
? Das sagst du immer wieder, aber was genau heißt das eigentlich? Was passiert, wenn der Zauber aufgehoben wird?“, hakte Jonathan nach.
„Ich glaube, ich habe mich falsch ausgedrückt. Er soll weniger aufgehoben, denn korrigiert werden.“
„Von mir aus“, winkte Jonathan mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. „Was bedeutet es, ihn zu korrigieren? Was passiert dann – ganz genau?“
„Es …“ Sie hielt kurz inne. „Das weißt du doch schon. Wenn der Zauber korrigiert wird, dann wird das Gleichgewicht von Licht und Dunkel im Inneren der Sensaten wieder hergestellt.
Es
wird korrigiert.“
„Ja, das weiß ich bereits. Aber was heißt
das
? Welche Auswirkungen wird es haben, wenn Licht und Dunkel ausgeglichen sind? Was passiert mit ihnen? Ihrer Welt? Unserer Welt?“
„Ich … weiß es nicht“, gab sie zu. „Ich weiß nicht, was genau das für Auswirkungen hat.“
„Warum zum Teufel willst du dann unbedingt dein Leben riskieren, wenn du nicht mal genau weißt, was es im Endeffekt bringt?“
„Weil es das Richtige ist. Licht und Dunkel müssen in