Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
gleichem Maße vorhanden sein. Alles andere ist …“
„Tut mir leid, ich verstehe es immer noch nicht“, unterbrach Jonathan sie. „Warum ist das so wichtig? Was scherst du dich um die Sensaten? Also in dieser Art und Weise – nicht darum, wie man sie beseitigen oder aus unserer Welt aussperren kann?“
Marah sog hörbar nach Luft und warf ihren Blick zwischen Nikolaj und Jonathan hin und her.
Warum sollten sich Jonathans Ansichten auch geändert haben? Was sollte seinen Standpunkt verändert haben? Er hasste die Sensaten – weil sie seine Schwester und seinen besten Freund getötet hatten. Und Nikolaj gehörte für ihn dazu. Egal, ob halb Mensch oder nicht. Egal, ob er ihnen half oder sie bekämpfte.
Nikolajs Gesicht war leicht verzehrt, als er sie schließlich eindringlich fokussierte. „Er hat recht. Warum willst du das tun? Was hast du davon?“
Sie sah ihn mit offenem Mund an, fühlte sich wie in einem Wirbelsturm stehend. Ja, warum war es ihr so wichtig? Was kümmerte es sie? Warum musste sie etwas „korrigieren“, das eine Hexe vor Jahrhunderten getan hatte?
Weil es
das Richtige
war? Weil sie Hekate helfen wollte?
Ja, sie wollte der Hexengöttin helfen. Und ja, es fühlte sich richtig an, tat es wirklich. Doch das war nicht der einzige Grund. Nicht der tatsächliche Grund. Der wirkliche Grund stand vor ihr, sah sie mit zerrissenem Ausdruck in den Augen an und wollte von ihr wissen, warum sie seinesgleichen retten wollte. Er war der Grund dafür. Ihre Liebe zu Nikolaj war der tatsächliche Grund dafür. Das wurde ihr in diesem Moment bewusst. Möglicherweise ging es darüber hinaus – möglicherweise wollte sie auch die anderen Sensaten retten, ihnen geben, was ihnen nach dem Gesetz der Natur zustand, doch am meisten wollte sie Nikolaj geben, was er verdiente. Was ihm zustand. Was ihn vielleicht weniger zerrissen sein ließ, ihm mehr inneren Frieden ermöglichte. Und vielleicht war genau das der Grund, warum Hekate sie ausgewählt hatte. Warum sie in ihr jemanden sah, der ihr helfen konnte, den Zauber zu korrigieren: weil sie einen Sensaten liebte – wenn auch nur einen halben. Durch Nikolaj wurde Hekates Bitte zu mehr als einer Bitte, die sie nichts anging. Es ging sie etwas an. Sie war Teil des Ganzen geworden – an dem Tag, als sich ihr und Nikolajs Weg gekreuzt hatte.
„Ich habe dir gesagt, was ich mir für die Zukunft wünsche …“, flüsterte sie, sodass Marah und Jonathan sie nur schwer verstehen konnten. Dann fuhr sie lauter, auch für die anderen verständlich, fort: „Es ist das Richtige. Lilith hatte nicht gewollt, was sie getan hat. Nur, weil sie einen Fehler gemacht hat, müssen die Konsequenzen nicht bleiben, wie sie sind. Jeder verdient eine zweite Chance.“
Jonathan kaute auf seiner Lippe herum. Er sah weder glücklich noch zufrieden über ihre Worte aus. Er wirkte eher, als suche er nach einer Erwiderung, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Nach einem Einwand, der widerlegte, was sie glaubte. Marah schloss unauffällig ihre Finger um seine Hand und drückte sie. Daraufhin sah er sie einen Moment lang an, ehe der bockige und widerspenstige Ausdruck auf seinem Gesicht langsam zu weichen begann. „Du musst tun, was du für richtig hältst“, sagte er seufzend. „Das gilt für jeden von uns. Jeder muss tun, was er für richtig hält. Unabhängig davon, was jemand anderes sagt oder denkt. Es ist und bleibt die Entscheidung eines jeden selbst.“
Sie knüpfte an seine Worte an. „Du sagst es. Ich habe mich dazu entschieden in die Sensatenwelt zu gehen. Ohne dich“, sie sah Nikolaj an, „kann ich allerdings nicht dorthin gelangen. Weder in eure Welt, noch zum richtigen Ort. Ich brauche dich.“ Sie betonte ihre letzten Worten und machte eine bedeutungsschwere Pause, ehe sie fortfuhr. „Aber ihr beide“, sie fasste Marah und Jonathan ins Auge, „müsst nicht mitkommen. Ihr habt mich bis jetzt beschützt – an diesem Punkt könnt ihr euch zurückziehen.“
Für einige Augenblicke schien jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und schwieg.
„Du wirst in der Sensatenwelt nicht weniger Schutz als hier brauchen“, ergriff Marah schließlich als erste das Wort. „Genaugenommen hast du ihn dort noch viel nötiger, als bisher, würde ich sagen.“
„Das ist möglich“, gab sie zu. „Aber …“
„Ich bin da, um sie zu beschützen“, vollendete Nikolaj ihren Satz. „Ich bin bei ihr. Ich kann sie jeder Zeit aus der Gefahrenzone bringen. Wenn es zu riskant wird. Wenn
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