Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
dieser ihm hinterher trat, ihn nochmals gegen die Brust stieß und Jonathan sich mühte, nicht zu Boden zu gehen. Der nächste Schubser war kein Schubser mehr, sondern ein Schlag in den Magen. Jonathan krümmte sich und wich keuchend und fluchend von Nikolaj ab.
„Nicht! Hört auf! Marah, tu doch was!“ Sie packte Marah am Arm und schüttelte sie leicht. „Tu etwas! Bitte!“ Der Blick der anderen Hexe sah benommen und verwirrt aus. „Marah!!“
„Ich … was soll ich denn tun?“ Langsam wurde ihr Blick klarer. „Ich weiß nicht mal genau, wie das passiert ist!“, sagte sie verwirrt. „Jo und ich waren gerade dabei uns auszusprechen … und dann kam Nikolaj nach draußen. Bei seinem Anblick hat Jo jegliche Ruhe verloren und sie haben begonnen sich anzuschreien. Ich weiß nicht, wie es angefangen hat … ich … es war komisch … irgendwie …“ Sie sahen wieder zu den Männern, die immer noch aufeinander losgingen und sich Faustschläge und Tritte verpassten. Dafür, dass Nikolaj kräftiger als Jonathan gebaut war, hielt dieser gut mit. Dennoch glaubte sie nicht, dass Jonathan als Sieger hervorgehen würde. Warum gingen sie überhaupt derart aufeinander los?
„
Weil sie in gewisser Hinsicht Spiegelbilder voneinander sind“
, kamen ihr Hekates Worte in den Sinn. Beide mussten mit der Last ihrer Entscheidungen und Handlungen leben. Beide fühlten sich schuldig und konnten es kaum ertragen. So griffen sie das an, was sie am ehesten greifen konnten: Ihr schuldiges Spiegelbild.
Jonathan musste zwischenzeitlich einen Schlag – oder mehrere – im Gesicht kassiert haben, denn er blutete aus der Nase. Dennoch setzte er sich behände zur Wehr, schlug und trat seinerseits nach Nikolaj.
Doch würde es dabei bleiben? Bei einer normalen Prügelei? Was wenn … wenn Nikolaj mehr tat? Wie einst in der Gasse? Würde er das tun? Mit Jonathan? Jemandem, der nicht sein Feind war? Wegen einem
Streit
? Einer
Meinungsverschiedenheit
? Weil er sich selbst nicht mehr ertragen konnte? Hatte er sich unter Kontrolle, selbst wenn er Jonathan nichts tun wollte?
Nein.
Ein klares und eindeutiges Nein hallte in ihrem Kopf wider. Er konnte außer Kontrolle geraten. Sie hatte es miterlebt. Hatte es erfahren. Inzwischen hatte es mehr als genug Situationen gegeben, die dies bewiesen.
„Marah, wir müssen sie auseinanderbringen!“, sagte sie ernst. „Ich weiß nicht, was Nikolaj tut, wenn er … Er könnte Jonathan verletzen – ohne ihn zu berühren, glaube ich.
Ernsthaft
verletzen!“
Entsetzen stahl sich auf Marahs Gesicht, welches jedoch rasch in einen entschlossenen Ausdruck überging. Sie suchte nach einer Lösung, um dieses Theater zu beenden.
Wie schnell eine Sache, die einem gerade noch wichtig erschien, doch in den Hintergrund geraten konnte …
Nur ein paar Sekunden waren verstrichen, doch Jonathan und Nick waren nicht länger wichtig. Stattdessen rückte etwas weit Dringlicheres und Bedrohlicheres in ihren Fokus und stahl ihnen den Luxus von untätiger Regungslosigkeit. Das Licht von Scheinwerfern strahlte aus dem Wald hervor und brach Lichtinseln zwischen die Dunkelheit. Drei große Wagen kamen direkt auf das Haus, auf sie zugefahren. Ihr Motorengeräusch brach durch die schlafende Nacht, wischte das Keuchen und Stöhnen der prügelnden Männer hinfort und drängte das echoende Wort
„Gefahr“
in Gwens Kopf.
Endlich kamen Jonathan und Nikolaj zur Besinnung und ließen voneinander ab. Ihre Aufmerksamkeit galt nicht mehr länger ihrem Gegenüber sondern in Gänze den heranpreschenden Autos.
„Gwen – ins Haus!“ –
Nikolaj
„Was ist mit dem Schutzzauber? Sehen sie uns?!“ –
Jonathan
„Sieht das für dich aus, als wären wir unsichtbar?!“ –
Nikolaj
„Wir sind zu weit weg! Der Kreis … er … Wir sind drüber raus!“ –
Marah
„Wenn sie uns sehen können, sind wir dann im Haus sicher?“ –
Jonathan
Die Autos kamen zum Stehen. Türen – vier an jedem Wagen – wurden aufgestoßen und Männer sprangen heraus.
„Marah! Das Haus? Ist es sicher?!“ –
Jonathan
„Ich weiß es nicht!!“ –
Marah
„Wir haben keine Alternative! Los, ins Haus!“ –
Jonathan
Jonathan packte Marahs Hand und zog sie mit sich in Richtung Haus. Nikolaj tat das gleiche mit ihr. Nicht, dass sie und Marah allein nicht hätten laufen können, doch die Männer trieben sie zum schnellsten Sprint an, der ihnen möglich war. Als sie einen knappen Blick über ihre Schulter riskierte, der ihr bestätigte, dass die Männer ihnen
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