Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
Umgebung im Auge.“ Als sie nicht reagierte, wandte Nikolaj sich ihr zu und fasste sie genauer ins Auge. „Alles in Ordnung?“ Er meinte es gut, doch seine Stimme enthielt eine scharfe Nuance.
Sie sah ihn an. Nichts war in Ordnung. Rein gar nichts. Sie hätte es wissen müssen, hätte an diese Möglichkeit denken müssen – daran, dass das passierte. Wieso nur hatte sie nicht daran gedacht?
„Marah?! Was ist nicht in Ordnung?“ Mehr Schärfe in Nikolajs Stimme.
Sie schüttelte den Kopf, um sich zu fangen. „Ich war der Anker.“ Sie sprach leise, immer noch erschrocken und fassungslos, aber schnell.
„Was soll das heißen?“ Auf Nikolajs Stirn bildete sich eine strenge Falte. „Marah! Was soll das heißen?“, wiederholte er seine Worte. Drängend und alarmiert.
„Normalerweise halten Zauber unabhängig von der Anwesenheit der ausführenden Hexe, aber dieser Schutzzauber … er war zu groß, zu kraftvoll, als dass er ohne mich bestehen konnte. Ich war der Anker für ihn. Als ich mit dir übergetreten und aus dem Haus verschwunden bin, hat sich der Schutz in Luft aufgelöst.“
Es dauerte einige Sekunden, ehe Nikolaj verstand, was sie sagte. Sie konnte es in seinen Augen ablesen, wie es ihn nach und nach erreichte. Es erging ihm scheinbar wie ihr: Er wusste noch während sie sprach, vielleicht sogar schon vorher, was nicht in Ordnung war – was passiert war. Doch wirklich verstehen und begreifen konnte er es erst ein paar Augenblicke später, nachdem die Wahrheit in all seine Zellen eingedrungen war. Nachdem er die Fassung erlangt hatte, verstehen und begreifen zu
können
.
„Wir müssen sofort zurück.“
„Und wenn sie bereits im Haus sind?“
„Wird der Zauber wieder wirksam, wenn du zurück bist?“ Eine Frage, die dennoch keinen Zweifel daran ließ, was er tun
würde
. Egal, wie die Antwort ausfiel.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht.“
„Wir müssen zurück.
Jetzt!
“
Sie nickte entschlossen, wenn auch mit angehaltenem Atem und erregt pochendem Herzen.
***
Einige Sekundebruchteile waren vergangen, ehe etwas in Jonathan einzurasten schien, er zum Bett sprintete, den Rucksack aufriss und darin wühlte. Als er gefunden hatte, was er gesucht hatte, fummelte er einen Moment lang an dem kleinen ovalen Etwas herum. Ihr entwich ein erschrockenes Stöhnen, als ihr dämmerte, was er da in Händen hielt.
„Du bleibst hier! Geh in die Ecke!“ Er redete schnell und sicher, als ob er alles im Griff hatte, doch seine Stimme verriet, dass er keineswegs so ruhig und gelassen war, wie er tat.
Von unten war ein Krachen zu hören, als die Tür splitterte und auf den Boden krachte. Einen Augenblick später: Schritte mehrerer Personen, die über den Fußboden glitten und nebst lautem und bedrohlich näherkommendem Poltern ein Knarzen durch das Haus jagten.
„Jonathan! Sie sind im Haus! Sie kommen!“
Gerade als sie das sagte, rannte Jonathan an ihr vorbei aus dem Zimmer – das ovale Etwas in Händen haltend.
„Jonathan!!“ Entsetzen überrollte sie, als sie ihn genau in Richtung ihrer Feinde zusteuern sah.
Sekunden voller Panik – dann kam er zurück und rannte sie regelrecht über den Haufen. „Da hinter! Schnell!“ Er riss sie mit sich in die hinterste Zimmerecke, drängte sie in die Hocke zu gehen, während er sie mit seinem Körper gegen die Wand presste und abschirmte.
„Jonathan, was …?“
„Ich hoffe, ich habe uns nicht unser eigenes Grab geschaufelt …“ Er drückte sie enger an sich, hielt ihren Kopf an seine Brust gebeugt.
Ein plötzlicher lauter Knall flutete das Haus, brachte es zum erzittern, ließ den Boden unter ihnen beben und vibrieren. Sie drückte die Handflächen auf ihre Ohren und schloss die Augen, als Staub durch die Luft stob – durch die offene Tür, aber auch von der Decke herab. Was Jonathan in Händen gehalten hatte, musste eine Granate, Bombe oder ein Sprengsatz gewesen sein, flog es durch ihren Kopf. Doch wie groß, mit welcher Reichweite und Kraft, konnte sie nicht sagen. Würde der Boden auf dem sie standen jeden Augenblick unter ihren Füßen wegbrechen? Würde die Decke über ihren Köpfen jeden Augenblick auf sie niederstürzen? Wo hatte er das Ding – oder die Dinger – überhaupt her?
„Gwen!“
Ein Husten. „Jo!“
Hatte sie sich das nur eingebildet? War das Nikolajs Stimme? Und Marahs?
Konnte
sie über das Surren und Klingeln in ihren Ohren überhaupt etwas hinweg hören?
„Schnell, kommt hier rüber!“, befahl eine
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