Wenn nicht jetzt, wann dann?
aufzusetzen, hatte Fabian innerlich mindestens so laut gejubelt wie an dem Tag, als Nina seinen Heiratsantrag angenommen hatte. Er hatte dem Impuls widerstehen müssen, sofort zu seinem Handy zu greifen, um es in die Welt zu posaunen, um es seiner Mutter zu erzählen, die wahrscheinlich genauso wenig an seine Beförderung glaubte wie daran, dass er jemals Anteile am Juweliergeschäft Winter halten könnte. Sie hatte auch nie daran geglaubt, dass Nina Winter seinen Heiratsantrag annehmen würde. Aber sie würde es schon noch sehen! Es war ihm wichtig. Es war ihm verdammt wichtig, dass aus ihm jemand geworden war, auf den seine Mutter stolz sein konnte. Spätestens wenn er ihr die Schiffsreise schenken würde, die sie sich schon immer wünschte, spätestens dann würde sie ihm glauben.
Er war bestimmt kein einfacher Sohn gewesen. Seine Eltern waren kleine Angestellte, die nie den Ehrgeiz besessen hatten, mehr aus sich zu machen. Seine Mutter arbeitete im Kaufhaus in der Haushaltsabteilung, wo sie den Kunden hochwertige Topfsets oder Besteckkoffer empfahl, die manchmal fast so viel kosteten, wie sie in einem ganzen Monat verdiente. Darauf war sie richtiggehend stolz. Sie fand, dass sie eine gute Stelle hatte. Sie mochte ihren Arbeitgeber, sie mochte die Prozente, die sie im Personalkauf bekam, und sie mochte die anderen Verkäuferinnen, von denen manche wie sie selbst schon seit über dreißig Jahren dort arbeiteten. Fabian hegte ebenfalls den Verdacht, dass sie es mochte, sich den ganzen Tag zwischen neuen, schönen Dingen zu bewegen. Er hatte sich manchmal geschämt, wenn sie zu Hause beim Essen von einem neuen Produkt geschwärmt hatte, das sie jemandem verkauft hatte, der es sich offensichtlich leisten konnte. Es machte ihn wütend, dass sie es sich nie würde leisten können und dass sie trotzdem davon schwärmte. Er hatte sich jedenfalls vorgenommen, einmal so viel Geld zu verdienen, dass er ihr jedes bescheuerte Topfset und jedes Kaffeeservice kaufen könnte, von dem sie träumte. Und die Schiffsreise dazu. Denn sein Vater hatte es in seinen Augen auch nicht viel weitergebracht. Er arbeitete in einem der wenigen übriggebliebenen, alteingesessenen Eisenwarenläden, dem die Kunden abhandenkamen. Niemand ging mehr in einen dieser kleinen Läden, wenn vor der Stadt riesige Baumärkte öffneten, die alles vorrätig hatten, was man eventuell suchen könnte. Sein Vater hoffte inständig, dass der Laden noch so lange durchhielt, bis er in Rente gehen würde, was nicht mehr allzu lange dauerte. Fabian schätzte, dass sein Vater höchstens noch zwei oder drei Jahre arbeiten musste. Den grauen Kittel, den er stets im Laden trug, hatte Fabian nie gemocht. Aber die Vorstellung, dass sein Vater auf seine alten Tage noch eine orange oder quietschgrüne Baumarktkluft anziehen müsste, war unerträglich. Er hoffte, dass ihm das erspart bliebe.
Es war damals schwer gewesen, seine Eltern davon zu überzeugen, dass er Abitur machen wolle. In seiner ganzen Familie aus Arbeitern wurde es schon als Karriere angesehen, wenn man ein kleiner Angestellter wurde. Doch Fabian, der eine kreative Ader hatte, wollte raus aus dem Baumarkt-Eisenladen-Kaufhaus-Milieu. Er wollte in eine andere Welt. Er dachte, wenn er mit edlen Materialien zu tun hätte, dann könnte er auch in edlere Regionen des Lebens aufsteigen.
Zunächst war es ihm durchaus peinlich gewesen, Nina seine Eltern vorzustellen. Doch der Nachmittag war damals gut verlaufen, Nina hatte sich eine Riesenmühe gegeben, sich nicht zu schick anzuziehen, kein zu teures Gastgeschenk mitzubringen, sie hatte mit seiner Mutter ewig über Geschirr geredet, als sei es das, was ihr im Leben am wichtigsten wäre, und er hatte dabeigesessen und gedacht, dass er der glücklichste Mensch auf Erden wäre. Dass seine Mutter später voller Bedenken den Kopf gewiegt hatte, hatte ihn überrascht.
»Was habt ihr denn? Es war doch alles gut?« Fabian verstand nicht, warum seine Mutter beunruhigt war.
»Sie gehört woandershin, sie gehört in eine ganz andere Klasse, das geht nicht gut, mein Junge, das kann nicht gutgehen. Jetzt seid ihr verliebt, und da machen diese Unterschiede nicht so viel aus. Aber wenn es euch mal nicht mehr so gutgeht, wenn ihr mal Schwierigkeiten habt, wie man sie in einer Ehe eben auch mal hat, dann wird es euch trennen.«
»Das klingt ja wie aus dem letzten Jahrhundert! Mama, die Zeiten haben sich geändert! Ich lebe in einer anderen Welt als du! Alles ist möglich!«
Er
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