Wenn nicht jetzt, wann dann?
ihr, fügte aber warnend hinzu, die seien sehr teuer.
»Ach«, lachte Annemie. »Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an!«
Dann sah Waltraud noch einen hyazinthblauen Paschminaschal, den Annemie sich schön um die Schultern legen könnte, wenn es kühler war, und der ihre blauen Augen wunderbar zur Geltung bringen würde. Doch Annemie zuckte zusammen, als sie den Preis sah. Obwohl Waltraud sie mit Engelszungen zu überreden versuchte, dass sie das ganze Geld für ihre Torten nicht aufs Sparkonto, sondern wenigstens dieses eine Mal für sich selbst ausgeben sollte, war Annemie dieser Preis schlicht zu hoch.
Ob sie fragen dürfe, um welche Torten es ginge, wandte sich die Verkäuferin an sie, und Waltraud begann von Annemies Torten zu schwärmen, die sie für Hochzeitsfieber anfertigte, und als sie den Laden verließen, hatte Annemie ihr alle Telefonnummern hinterlassen, denn eine goldene Hochzeit der Eltern nahte ebenso wie der fünfzigste Geburtstag des Ehemannes.
»Da hast du deinen Schal wieder drin«, raunte Waltraud, und Annemie schimpfte, sie sei eine elende Verführerin und dass sie sich den Schal erst dann kaufen würde, wenn sie das Geld dazu verdient hatte.
Beim Friseur musste Annemie ausführlich von ihrem neuen Leben als Hochzeitsplanerin erzählen, alle hörten gebannt zu, wie sie von hübschen Bräuten, aufgeregten Brautmüttern, Eheringen und Testmenüs erzählte, während die Highlights einwirkten. Als sie sich im Spiegel sah, mit frisch geschnittenem und golden schimmerndem Haar, das ihre blauen Augen plötzlich viel deutlicher betonte, da gefiel sie sich sogar selbst ausgesprochen gut.
Liz sah Rosi Schäfer etwas wehmütig beim Packen zu, denn ihre Zimmernachbarin durfte jetzt nach Hause gehen.
»Sie haben es gut«, seufzte Liz. »Ich möchte auch so gerne nach Hause.«
»Wenn ich denn mal nach Hause könnte. Ich muss ja direkt in die Reha. Das müssen Sie bestimmt auch. Sie können sich doch noch gar nicht bewegen, wie soll das denn gehen? Alleine zu Hause, mit so einem Ding hier.«
Sie stupste den Rollator, den sie gerade zum Schrank schob, um dort Kleider herauszunehmen, sie auf den Wagen zu legen, um ihn zurück zum Bett zu fahren. Was für eine mühselige Art des Packens. Und Liz konnte ihrer Zimmernachbarin noch nicht einmal helfen.
»Ich werde Krücken bekommen, damit ist man bestimmt ein bisschen beweglicher, oder?«
»Wenn man’s kann!«, erwiderte Rosi Schäfer. »Ist jedenfalls schwerer, als es aussieht, das kann ich Ihnen schon einmal sagen.«
Sie pendelte mit ihrem Rollator immer weiter zwischen Schrank und Bett hin und her, auf dem ihr Koffer lag, so dass sich dieser allmählich immer mehr füllte, während sich der Schrank nach und nach leerte.
»Kann Ihnen denn niemand helfen, soll ich mal die Schwester rufen?«
Liz wurde vom Zusehen ganz ungeduldig.
»Lassen Sie mal, Kindchen«, lachte Rosi Schäfer. »Ich muss ja üben. Das werden Sie auch müssen!«
»O Gott.«
Liz ließ sich in ihr Kissen sinken. Woher sollte sie bloß diese Geduld nehmen? Es konnte ja wohl nicht sein, dass man eine halbe Stunde brauchte, um eine Tasche zu packen! Mit Zeit konnte man doch wahrhaftig Sinnvolleres anfangen. Wie im Bett herumliegen, dachte sie zähneknirschend. Nach fast zwei Wochen reichte es ihr jetzt wirklich.
Rosi Schäfer war mit Packen gerade fertig, als die Visite ins Zimmer kam. Alle Ärzte verabschiedeten sich von ihr, wünschten ihr Glück für die Reha, und Hochwürden in Weiß kündigte an, dass Dr. Friedrich nach der Visite noch zum Entlassungsgespräch vorbeikommen würde. Das klang ein bisschen nach Knast, fand Liz und bekam große Sehnsucht nach der Freiheit.
»Und wann werfen Sie mich endlich hier raus?«
Liz betrachtete die Ärzteschar, die sich wie jeden Morgen um ihr Bett versammelt hatte. Lauter erwachsene Menschen in weißen Kitteln, die brav an den Patientenbetten standen und auf Kommandos des Chefs warteten.
»Dr. Friedrich, bitte.«
Der Chef machte eine Handbewegung, und ihr Dr. Friedrich referierte, dass der Knochen gut heilte, dass das Krückentraining heute begänne und die Schwester später bei ihr vorbeikäme, um den weiteren Behandlungsablauf mit ihr zu besprechen.
»Gibt es nicht auch eine ambulante Reha?«
Liz wollte alles, nur nicht schon wieder in eine Klinik und ein neues Krankenhausbett.
»Gibt es. Ist aber anstrengend. Und: Sie brauchen dann jemanden, der Sie versorgt. Rund um die Uhr. Bis Sie Ihr Bein wieder belasten
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