Wenn nicht jetzt, wann dann?
eines Fünf-Gänge-Menüs, da bekommen wir kleine Portionen und einen großen Überblick. Was meinen Sie?«
»Gerne.« Annemie nickte. Das war ein guter Vorschlag. Sie fragte sich, ob Herr Winter diesen Vorschlag machte, weil er ihre Unsicherheit spürte, oder ob ein Herr wie er sich immer so verhielt. Als er sie fragte, welchen Wein sie trinken mochte, bat sie ihn, diesen doch ebenfalls auszusuchen, dann würde er auch gut zum Essen passen. Und sie sei, ehrlich gesagt, keine großartige Weinkennerin und ließe sich heute gerne von allem überraschen.
Nachdem die Bestellung aufgenommen war und der Wein hellgolden in den Gläsern funkelte, begann sie sich ein wenig zu entspannen.
»Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, so wundervoll zu backen? Meine Tochter schwärmt heute noch von den Petit Fours, die Sie uns bei unserem ersten Besuch angeboten haben. Und das will etwas heißen. Damit haben Sie sie gewonnen!«
Er zögerte einen Augenblick.
»Sie haben ja sicher bemerkt, dass sie nicht begeistert war, dass Frau Baumgarten nicht selbst da war …«
»Oh, das war nicht zu übersehen«, seufzte Annemie. »Und glauben Sie, es wäre auch mir selbst viel lieber gewesen, wenn Frau Baumgarten da gewesen wäre. Ich bin nur eingesprungen, weil sie immer so nett ist. Aber diese Aufgabe ist schon sehr groß für mich. Ich bin das überhaupt nicht gewohnt.«
»Sie bewältigen diese Aufgabe aber mit viel Charme und Persönlichkeit. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es vielen Kunden gefällt, von jemandem beraten zu werden, der wie Sie schon eine gewisse Lebenserfahrung gesammelt hat. Das darf ich so sagen, oder?«
»Jetzt sagen Sie bloß, ich sehe nicht mehr aus wie dreißig!«, lachte Annemie, die sich durch den ungewohnten Wein auf nüchternen Magen zusehends entspannte. »Ach, Unsinn«, Annemie schüttelte den Kopf. »Ich bin so alt, wie ich bin, und das ist schon immer so gewesen! Aber ja, ich glaube, dass manche der Bräute gerne meine Meinung hören. Ich hab nur leider gar keine Ahnung von Trends oder Moden, oder wie man heutzutage heiratet. Doch ich weiß, dass eine Braut an ihrer Hochzeit glücklich sein sollte. Und die Eltern auch. Sie glauben gar nicht, wie viele Sorgen sich Eltern machen. Das stellt man sich gar nicht vor, wenn man keine Kinder hat.«
»Sie haben keine Kinder?«
»Nein. Das war uns leider nicht vergönnt. Ich hätte sehr gerne Kinder gehabt.«
Sie schaute ihn einen Moment schweigend an.
»Es muss herrlich sein, eine Tochter wie Nina zu haben.«
»Ihr hat immer die Mutter gefehlt, und ich habe Angst, dass ich viel falsch gemacht habe. Mich hat es zum Beispiel beeindruckt, dass Sie Nina bei unserem ersten Treffen nach ihrem Mädchentraum gefragt haben. Auf so etwas kommt ein Mann nicht. Ein Mann träumt nicht von Hochzeiten als Junge. Der träumt von Autos oder von Abenteuerexpeditionen durch den Dschungel.«
»Genau das haben Sie ihr mitgegeben, sie tritt so selbstsicher auf und sie weiß, was sie will, das habe ich zum Beispiel nie richtig gelernt, ich hatte keinen Vater.«
Ein Ober trat mit zwei kleinen Tellerchen an ihren Tisch.
»Als Gruß aus der Küche darf ich Ihnen eine hausgemachte Saucisse chaud auf lauwarmem Linsensalat in einer karamellisierten Balsamicoreduktion bringen.«
Annemie schaute auf den großen Porzellanlöffel, der etwas hielt, das wie sehr dunkle Linsensuppe aussah, und blickte Claus Winter hilfesuchend an. Nahm man den Löffel nun ganz in den Mund, oder löffelte man die Suppe mit einem kleinen Löffel aus dem großen heraus? Er nahm den Löffel, führte ihn zum Mund, leerte ihn aber nicht in einem Schluck, sondern behielt ihn in der Hand, um ihn gleich noch einmal zum Mund zu führen.
»Mmmh, das fängt schon einmal sehr ausgewogen an«, kommentierte er, während Annemie es ihm nachtat. Begeistert schloss sie die Augen, als sie das kleine aromatische Würstchen zerbiss, während sich die würzige Süße der Soße und die mehlige Beschaffenheit der Linsen sehr fein um das Fleisch herumlagerten.
»Ein bisschen wie ein Petit Fours auf salzig, oder?«, rief sie begeistert aus. »Was für eine wundervolle Mischung!«
Claus Winter strahlte sie an.
»Es werden hoffentlich noch ein paar mehr wundervolle Mischungen dazukommen heute Abend! Wie schön, dass es Ihnen schmeckt. Und Sie sehen heute übrigens sehr hübsch aus, irgendetwas ist anders an Ihnen, aber ich komme nicht darauf, was.«
»Ich verrate es Ihnen«, lächelte Annemie. »Ich war beim
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